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Das Null-Bestände-Konzept

[17.04.2000]

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Voraussetzung für ein nachhaltiges Wirtschaften ist die Sicherung der Liquidität und der Ertragsfähigkeit eines Unternehmens. Bestände spielen hier eine große Rolle, da sie in deutschen Unternehmen im Schnitt etwa 34% des Umlaufvermögens ausmachen. Univ.-Prof. Dr. Dr. Horst Wildemann hat an seinem Lehrstuhl ein Instrument entwickelt, welches es ermöglicht, Bestände in der Bilanz auf Null zu reduzieren und das freigesetzte Kapital zusätzlich gewinnbringend zu verwenden.

Obwohl noch immer die Ansicht weit verbreitet ist, dass Bestände eine reibungslose Produktion, eine wirtschaftliche Fertigung, ein konstantes Auslastungsniveau und einen hohen Servicegrad gewährleisten, hat dennoch in den letzten Jahren die Erkenntnis an Gewicht gewonnen, dass Bestände unabgestimmte Kapazitäten und störanfällige Prozesse verdecken und insbesondere Liquidität binden. Die Kapitalbindung in deutschen Unternehmen beträgt trotz aller Bemühungen zur Senkung der Bestände immer noch über 13% des Umsatzvolumens. In volkswirtschaftlicher Betrachtung hat das Bestandsniveau seit 1987 um jährlich 12,1 Mrd. DM zugenommen. Die Mehrzahl der Unternehmen hat die hohe Bedeutung der Bestände und der entsprechenden Kapitalbindung für den Unternehmenserfolg bereits erkannt und Maßnahmen zu ihrer Beherrschung und Senkung ergriffen. Am Lehrstuhl von Univ.-Prof. Dr. Dr. Horst Wildemann von der Technischen Universität München wurde ein Instrument entwickelt, mit dessen Hilfe Bestände aus dem jeweils betrachteten Unternehmen entfernt und die freigesetzten Mittel zusätzlich gewinnbringend eingesetzt werden können. Das in dieser Fallstudie betrachtete Unternehmen ist ein Großkonzern der Elektro- und Elektronikindustrie mit einen jährlichen Umsatzvolumen von mehreren Milliarden DM. Die durch Bestände verursachte Kapitalbindung belief sich im Untersuchungsbereich auf insgesamt 85 Mio. DM bei einem internen Zinssatz auf das Working Capital von 14%, der im wesentlichen durch hohe Eigenkapitalrenditen geprägt ist. Durch seine Größe und Bonität ist es diesem Unternehmen möglich, Fremdkapital zu einem Zinssatz von 4,5% p.a. aufzunehmen. Diese signifikante Differenz zwischen interner Verzinsung und Fremdkapitalzinssatz eröffnet die Möglichkeit, auf wirtschaftliche Weise Bestände aus dem Bilanzbereich des Unternehmens zu entfernen. Das Unternehmen hat hierfür einen Dienstleister verpflichtet, der die Bestandsverantwortung in physischer und wirtschaftlicher Sicht einschließlich der Bestandsführung übernommen hat. Die Zahlung an den Dienstleister für die Übernahme dieser Leistung wird am Wert der Bestände gemessen und beläuft sich auf einen Wert, der um einen Prozentpunkt oberhalb des eigenen Fremdkapitalzinssatzes liegt. Durch eine Bankbürgschaft wird dem Dienstleister zusätzlich ermöglicht, Kapital zu den Konditionen des betrachteten Unternehmens aufzunehmen. Neben dem einmaligen Einsparungseffekt aus der Veräußerung der Bestände ergibt sich dementsprechend eine jährliche Einsparung für das Unternehmen von 9,5% des ursprünglich in Beständen gebundenen Kapitals, welches unmittelbar für die weitere innerbetriebliche Verwendung zur Verfügung steht und im Durchschnitt wieder zu 14% angelegt werden kann. Das entwickelte Instrumentarium stellt somit einen wesentlichen Beitrag zur Senkung der Kapitalbindung im Unternehmen und zur Verbesserung der Ergebnissituation dar.


Weiterführende Literatur zum Thema:

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