[22.02.2006]
Schnelles Wachstum stellte das Unternehmen vor erhebliche Probleme. So reduzierte sich die Produkt- und Prozessqualität in immer kürzeren Abständen. Dies führte zu einem bisher in dieser Höhe nicht eingeplanten Materialmehrverbrauch sowie einer deutlichen Abweichung der Ist- von den Soll-Fertigungsmengen. Trotz stabiler Lieferabrufe der OEMs und einer hohen Forecast-Genauigkeit war die vorhandene Fertigungssteuerung nicht in der Lage, mit der Situation umzugehen. Die bestehende Steuerung gab jeweils der ersten und letzten Stufe des Produktionsprozesses eine Wochenmenge vor. Die Steuerung der dazwischen liegenden Wertschöpfungsstufen war nicht definiert und somit sich selbst überlassen. Alle fertigen Teile eines Bereiches sollten theoretisch an den nächsten Bereich weitergegeben und weiterverarbeitet werden. In der Praxis zeigte sich schnell, dass die Produktion nicht in der Lage war, diese Maßgabe einzuhalten. Bestimmte Bauteile wurden in zu geringen Stückzahlen gefertigt. Bei anderen Bauteilen kam es innerhalb der einzelnen Prozessschritte zu erheblichen Bestandsanhäufungen, weil überproduziert wurde. Neben der hohen Kapitalbindung wurden zudem insbesondere First-in-first-out-Prinzipen vollkommen außer Acht gelassen und die Durchlaufzeiten waren erheblichen Schwankungen unterlegen. Die Lieferfähigkeit innerhalb der Supply Chain war massiv gefährdet. Zielsetzung im Projekt war deshalb eine durchgängige Harmonisierung der Materialflüsse und deren Steuerung über die gesamte Wertschöpfungskette.
Eine Analyse der bestehenden Materialflüsse hinsichtlich Fließprinzipien sowohl auf Werks- als auch auf Arbeitsplatzebene ergab ein erhebliches Verbesserungspotenzial hinsichtlich des Layouts. Das Layout, die gewählten Fertigungstechnologien und das Steuerungsprinzip müssen sich gegenseitig ergänzen, um einen kontinuierliche Materialfluss mit möglichst kurzen Rückkopplungsschleifen zu ermöglichen. Deshalb erfolgte eine Segmentierung der Fertigung nach spezifischen Produktfamilien. Die gebildeten Segmente umfassen mehrere Stufen der Wertschöpfung und beinhalten neben der flussorientierten Anordnung der Fertigungsbereiche und der räumlichen Konzentration der Arbeitsplätze auch die Integration indirekter Bereiche.
Im Anschluss an die Fertigungssegmentierung wurde die Implementierung eines verbesserten Fertigungssteuerungskonzepts vorangetrieben. Optimale Steuerungskonzepte sollen Kapazitätsauslastung und Termintreue ermöglichen und Durchlaufzeiten und Bestände minimieren. Maßgeblich für die Konzeption einer verbesserten Fertigungssteuerung bei dem beschriebenen Unternehmen war eine Verkürzung der Dispositionszyklen und Erhöhung der Sicherheit bei gleichzeitiger Reduzierung von Beständen. Die Verkürzung der Dispositionszyklen hatte zum Ziel, die hohe Unberechenbarkeit der bisherigen Steuerung zu eliminieren. Damit einhergehend war eine Erhöhung der Reaktionsfähigkeit notwendig, um Ausfälle, hervorgerufen insbesondere durch mangelnde Produktqualität, rechtzeitig kompensieren zu können. Eine ständige Überprüfung der gefertigten Stückzahlen sollte zudem dazu beitragen, die Bestände der Work-in-Progress-Teile nachhaltig auf die nur wirklich geforderten Mengen zu reduzieren.Die Definition einer geeigneten Steuerungsmethode erfolgte unter Berücksichtigung der Problematik, dass sich eine Verbesserung der instabilen Fertigungsprozesse und Qualitätsschwankungen erst zu späterem Zeitpunkt einstellen würde. Hinzu kamen die Vielstufigkeit des Produktionsprozesses selbst und die hohe Variantenvielfalt. Von einer dezentralen Fertigungssteuerung, z.B. durch selbst steuernde Regelkreise über den gesamten Fertigungsprozess nach dem Holprinzip (KANBAN) wurde deshalb zuerst einmal abgesehen. Diese Form der Steuerung erfordert zudem ein hohes Maß an Disziplin und Eigenverantwortung der Produktion, nicht mehr als wirklich nur die geforderten Mengen zu produzieren.
In der gegebenen Situation wurde eine zentrale Fertigungssteuerung von Tagesmengen nach dem Fortschrittszahlenkonzept eingeführt. Fortschrittszahlen sind kumulierte Mengen bezogen auf einen definierten Zeitraum, mit deren Hilfe sich Änderungen von Terminen und Mengen übersichtlich darstellen lassen. Es wurden die zu liefernden Mengen auf Tagesbasis bestimmt. Hieraus ergeben sich die Soll-Fortschrittszahlen. Die taggenaue Erfassung der Istmengen führt zu den Ist-Fortschrittszahlen bzw. zu Rückständen. Zusätzlich werden auch Ausschussmengen erfasst, die den Qualitätsstatus innerhalb der Produktion abbilden. Der Vergleich von Soll-Fortschrittszahlen und Ist-Fortschrittszahlen ermöglicht eine einfache Überwachung und Steuerung der Bestände bzw. Reaktion auf die Bedarfe.
Das Fortschrittszahlenkonzept wurde in einem, neuen kunden- und anforderungsspezifisch entwickelten Controlling-Tool abgebildet, welches eine tägliche Informationstransparenz über die Teile der Wertschöpfungskette ermöglicht, um im Rahmen einer täglichen Stückzahlbesprechung rechtzeitig Maßnahmen bei Über- oder Unterschreitung der Soll-Fortschrittszahlen zu definieren. An der Stückzahlbesprechung nimmt neben Produktion und Logistik auch die Qualitätssicherung teil. Parallel hierzu wurde die Produktion angehalten, die Tagesziele auf der Mikroebene innerhalb der Schichten mit Hilfe von Fortschrittszahlentafeln in den einzelnen Produktionsbereichen zu messen und zu visualisieren.
Nach Einführung der zentralen Steuerung von Tagsmengen mit Hilfe des Fortschrittzahlenkonzepts, bei gleichzeitigem Monitoring des Fertigungsfortschritts, konnten innerhalb der ersten 6 Monate folgende Verbesserungen erzielt werden: