[17.08.2017]
Bereits vor und während den vorangegangenen industriellen Revolutionen wurden Dystopien des vollständigen Arbeitsverlusts gezeichnet – man denke nur an die Maschinenstürmer im England des neunzehnten Jahrhunderts. Immer haben sich durch den technischen Fortschritt neue Beschäftigungsfelder ergeben. Das lässt sich auch an Statistiken belegen: Gerade in den hochtechnisierten und -automatisierten Ländern wie Deutschland, USA oder Japan gibt es eine sehr hohe Beschäftigungsquote. Welche Folgen der Robotereinsatz in der deutschen Industrie haben wird, zeigen nur exemplarische Fallstudien
Wir können in der betriebswirtschaftlichen Forschung die Auswirkungen von Digitalisierung und Industrie 4.0 in den nächsten 5-10 Jahren abschätzen. Aussagen über einen längeren Zeitraum sind Spekulation. Heute sind wir noch ein gutes Stück davon entfernt, dass automatische Produktion sowie Datenübertragung und -auswertung den Menschen als Bindeglied zwischen den einzelnen Stufen der Wertschöpfungskette ersetzen. Trotz der Weiterentwicklung künstlicher Intelligenz und selbstlernender Systeme ist der wirtschaftliche Einsatz eines Roboters noch auf ein eng definiertes Aufgabenspektrum begrenzt. Eine Umwidmung ist mit großem Aufwand verbunden, was die wirtschaftliche Anwendung der Automatisierung einschränkt. Kurz und mittelfristig trifft die Substitution von Arbeitsplätzen durch Roboter somit vor allem Branchen mit extrem hohen Stückzahlen und geringer Variantenvielfalt. Solche Produkte sind in Deutschland in der Regel heute schon durch stark automatisierte Produktion geprägt.
Das Domainwissen, also das Erfahrungswissen der Mitarbeiter, wird unterschätzt. Ein Roboter wird in indirekten, aber auch in direkten Bereichen, die angesammelte Erfahrung mit Kreativität und Problemlösungskompetenz eines qualifizierten Mitarbeiters nie völlig ersetzen können. Für Entwicklung, Herstellung und Vertrieb innovativer Produkte ist sogar zusätzliches Personal nötig. Dafür werden sicherlich auch neue Qualifikationen benötigt. Die zunehmende Akademisierung trifft dabei die Anforderung von Industrie 4.0 nach gut ausgebildeten Fachkräften, aber auch die industrielle Berufsausbildung ist zu revolutionieren.
In die Betrachtung vieler Studien geht nicht ein, welche gänzlich neuen Geschäftsfelder und -modelle durch Industrie 4.0 erschlossen werden. Dies betrifft nicht nur Unternehmen und Industrien, die direkt an Industrie 4.0 partizipieren, zum Beispiel im Bereich der Sensorik, Anlagentechnik oder auch Softwareentwicklung. Sondern auch Unternehmen deren Geschäft durch Industrie 4.0 überhaupt erst ermöglicht wird, beispielsweise in der Informationsverarbeitung mittels Cloud-Computing oder durch Distributed Manufacturing Ansätze auch im Rahmen des 3D Drucks.
Die Chancen für ältere und eingeschränkte Mitarbeiter betreffen insbesondere das Thema Ergonomie, beispielsweise durch neue akustische und optische Systeme, die zum Beispiel die Kommissionierung erleichtern. Kollaborierende Roboter, die ohne Umhausung direkt mit Mitarbeitern zusammenarbeiten, können spezifische Tätigkeiten an Stellen abnehmen, wo es noch die unergonomischen Arbeitsplätze mit schweren Lasten und Überkopfarbeit gibt. Die Mitarbeiter übernehmen dann anspruchsvolle Positionieraufgaben und decken Sonder- und Störfälle ab. Diese Aufgaben werden auch mittelfristig noch von Menschen erledigt werden.
Die Digitalisierung bietet auch neue Chancen für den Niedriglohnbereich. Ein Beispiel ist das Thema Crowdsourcing, bei dem interne Teilaufgaben, wie zum Beispiel Recherchetätigkeiten, in kleinen Paketen extern vergeben werden. Bei lokal niedrigen Lohnkosten profitieren sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer. Natürlich trifft die Automatisierung insbesondere Regionen, die bisher durch manuelle Arbeitsplätze geprägt sind. Im Mai 2016 wurde berichtet, dass der Montagedienstleister Foxconn in einer seiner chinesischen Fabriken 60.000 von 110.000 Mitarbeitern durch Roboter ersetzt. Doch in China haben sich nicht nur die Löhne gesteigert. Auch das Ausbildungsniveau hat sich in weiten Bevölkerungsteilen drastisch verbessert. Das bedeutet, dass auch dort der Anteil ungelernter Industriearbeiter abnimmt. China ist darüber hinaus bei der Automatisierung schon wesentlich besser aufgestellt, als beispielsweise einige der südostasiatischen Länder, insbesondere auch durch Investitionen in westliche Unternehmen und Knowhow Träger. Ein Beispiel ist die vieldiskutierte Beteiligung am Roboterbauer KUKA.
Als TCW haben wir in letzter Zeit eine Vielzahl an Unternehmen auf dem Pfad hin zur Industrie 4.0 begleitet. Der Königsweg existiert nicht. Das galt für die Einführung leaner Produktionssysteme vor vielen Jahren ebenso wie heute. Jedes Unternehmen muss sich dabei eines Analyseprozesses unterziehen, um Chancen und Risiken abzuwiegen und die richtige Strategie zu wählen. Der momentane Reifegrad der Unternehmen ist ebenso zu berücksichtigen wie die Rahmenbedingungen des Geschäftsfelds. Auch das Feld möglicher Technologieoptionen ist gewaltig. Besonders kleine Unternehmen verlieren hier schnell den Überblick. Hier kann TCW jedoch durch die breite Branchen- und Technologiekompetenz unterstützen. Eine Investition in 3D-Druck-Maschinen, kollaborierende Roboter oder die Einführung von SMART-Modulen macht sicherlich nicht für jedes Unternehmen zum gegebenen Zeitpunkt Sinn. Auch diese Empfehlungen müssen wir manchmal aussprechen. Aber wir können unseren Kunden auch sagen, wo die Potentiale liegen. Als TCW konnten wir in den vergangenen Jahren auf der Basis vieler Praxisfälle die notwendigen Analysekonzepte entwickeln, die uns ermöglichen, dem Kunden die Bausteine der Industrie 4.0 zu empfehlen, die in seiner spezifischen Situation wirklich einen Mehrwert bringen. Mit einem Technologieradar und der Erfahrung aus über 25 Jahren Produktionsoptimierung erarbeiten wir dann zusammen mit unseren Kunden eine Strategie- und Umsetzungsroadmap, inklusive Maßnahmenpaketen und Umsetzungsbegleitung. So konnten wir schon einige Unternehmen dabei unterstützen, die Hürden zur nächsten industriellen Revolution zu nehmen – und das ohne zu stolpern.