[11.02.2003]
Ausgangssituation
Der europäische Fertigungsverbund des betrachteten Kunden ist in nationale Einheiten gegliedert. Innerhalb dieser Einheiten fokussieren sich die Werke auf die Erbringung spezifischer Leistungen, wie der Fertigung von Zerspanteilen. Trotz dieser Fokussierung wird ein volumenmäßig hoher Anteil von Rohmaterialien in mehreren Werken benötigt. Die Rahmenverträge für die Beschaffung werden von der Zentrale verhandelt. Die Werke rufen die Materialien im Rahmen dieser Verträge eigenständig ab. Das logistische Beschaffungsprinzip variiert von Werk zu Werk. So beschaffte ein Fertigungsstandort Gussteile basierend auf einer Prognose und bevorratete sie als Eigentümer im eigenen Lager, während ein anderes Werk die standardisierten Teile im Rahmen eines Lieferanten-Kanbans fertigungssynchron bezog.
Die über den Bedarf normierten Bestandsvolumina der einzelnen Werke schwankten teilweise um über 30 %. Neben der Verfolgung suboptimaler logistischer Beschaffungsstrategien war die Bindung an Mindestabnahmemengen, die den Bedarf häufig deutlich überschritten, ein weiterer Grund für die Bestandshöhe. Die Nutzung dieses Überbestands durch andere Werke des Verbundes wurde aufgrund isolierter Betrachtung nicht betrieben.
Zielstellung
Im Rahmen eines Bestandssenkungsprojekts wurde die Entwicklung und Anwendung einer einheitlichen Systematik zur Bestimmung des optimalen logistischen Beschaffungsprinzips als ein Hebel zur Optimierung der Bestandsstruktur identifiziert.
Vorgehensweise
Die Abwicklung des Projekts erfolgte in drei Phasen. Den Untersuchungsbereich bildeten die Materialgruppen der vierzehn europäischen Fertigungsstätten.
In der ersten Projektphase wurde in Zusammenarbeit mit dem Einkauf des Kunden eine Ist-Analyse bestehender Ansätze zur Bewertung der logistischen Beschaffungsprinzipien durchgeführt. Darauf basierend erarbeitete das TCW einen Vorschlag für eine ganzheitliche Bewertungsmethode. Dieser Vorschlag wurde im Projektteam, dem sowohl Vertreter des zentralen Einkaufs als auch der Fertigungsstätten angehörten, vorgestellt und abgestimmt.
An die erste Phase schloss sich die Planung der Anwendung der erarbeiteten Methode in den Fertigungsstätten an. Innerhalb von nur drei Monaten erfolgten die Bewertung der Materialgruppen aller europäischen Fertigungsstätten sowie eine kritische Prüfung der ermittelten Ergebnisse.
Basierend auf den Ergebnissen der zweiten Projektphase wurden die Materialgruppen priorisiert, deren aktuelles logistisches Beschaffungsprinzip vom theoretisch optimalen Prinzip, welches durch die Anwendung der abgestimmten Methode ermittelt wurde, abwich und deren Beschaffungsvolumen ein ausreichend hohes Maß an Verbesserungspotenzial bot. Für diese Materialgruppen wurde in Abstimmung mit den Zulieferern das optimale Beschaffungsprinzip eingeführt.
Ergebnisse
Die Anwendung einer für alle Fertigungsstätten verbindlichen Systematik zur Auswahl des logistischen Beschaffungsprinzips schaffte Transparenz über die verschiedenen Lösungen und zeigte konkretes Verbesserungspotenzial auf, dessen Realisierung im Rahmen der Implementierung durch ein Controlling abgesichert wurde. Die Implementierung eines neuen logistischen Beschaffungsprinzips wirkte vor allem auf die Prozesskosten der Logistik.
Komplementär dazu wurde im Projekt eine Strategie entwickelt, mittels derer eine verbesserte Abstimmung der Fertigungsstätten in Bezug auf die Nutzung von Überbeständen in Folge einer fixierten Mindestabnahmemenge erreicht werden kann. Die Implementierung dieser Strategie hatte Auswirkungen auf die Disposition von Rohmaterialien: Der Prozessablauf wurde um eine übergreifende Abfrage von verfügbaren Beständen ergänzt, die heute mit Hilfe informationstechnischer Unterstützung realisiert wird. Die Standort übergreifende Nutzung von Beständen half dem Kunden, seine Bestände an Rohmaterialien um knapp 35 % zu kürzen.