^

Interview zum Thema 'Professionelle Krisenbewältigung' mit Prof. Wildemann

[08.03.2010]

Foto: WavebreakmediaMicro / fotolia.com

Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung spricht Horst Wildemann über Optionen und Lösungswege aus der Krise. Hierbei geht er auf die Notwendigkeit Kosten zu senken ein, jedoch unter der Berücksichtigung nützliche Lieferantenbeziehungen nicht zu gefährden und das eigene Mitarbeiter Know-how dabei zu nutzen. Auch die Finanzierung der Unternehmen durch die Banken ist dabei ein Schlüsselthema. Durch intelligentes managen, können Unternehmen stärker aus der Krise hervorkommen, als sie es zu Beginn waren. Den Aufschwung sieht Wildemann jedoch erst 2011.

Herr Professor Wildemann, Krisen sind gute Tests für das Management. Haben die deutschen Unternehmen die richtigen Chefs?

Nicht alle haben die Lektionen der letzten Krisen gelernt. Viele haben mit Kostensenkungen reagiert. Aber jede Krise ist eine Vorphase des Aufschwungs.

Was hätten sie sonst tun sollen?

Unternehmen benötigen eine Wachstumsperspektive. Marktanteile werden in der Krise neu verteilt. Konkurrenten schwächeln. Auch ist großer Wert auf die Kunden- und Lieferantenloyalität zu legen.

Was können Unternehmen jetzt tun?

Sie müssen natürlich auch ihre fixen Kosten senken, Produkte neu ausrichten, indem Overengineering vermieden wird, Flexibilitäten auf allen Ebenen erhöhen, um der Volatilität zu begegnen, in den Prozessabläufen die Hindernisse beseitigen, um schneller zu werden und schließlich nur das selbst produzieren, was sie besser können.

Also doch Kosten senken. Aber die große Welle des Auslagerns ist doch vorbei?

Auslagern ist nicht immer billiger, deshalb haben viele Aktivitäten ins Haus zurückgeholt. Aber es ist ein großer Fehler, die Loyalität zu seinen Zulieferern durch Insourcing aufzukündigen. Später werden die nämlich meistens wieder gebraucht und außerdem kommen viele Innovationen gerade von Zulieferunternehmen.

Sie denken da an die Autobranche?

Auch im Maschinenbau, der Spezialchemie oder in der Elektrotechnik ist dieses Phänomen zu beobachten. Viele Lieferanten sagen dann im Aufschwung: Ich liefere bevorzugt an Freunde.

Welche Fragen müssen sich Firmen heute stellen?

Wie sie besser rauskommen aus der Krise, als sie hineingeraten sind. Zum Beispiel: Ist mein Köcher mit neuen Produkten gefüllt? Habe ich meine Mitarbeiter und damit das Know-how gut gepflegt? Da übrigens waren viele deutsche Unternehmen hervorragend, weil sie die Arbeitszeiten über Kurzarbeit flexibilisiert haben. Soviel Flexibilität gibt es nur in Deutschland.

Aber das nutzt nichts, wenn die Banken den Firmen das Geld verweigern.

Die Liquidität ist eine alles entscheidende Frage.

Wie schneiden deutsche Unternehmen da ab?

Viele Unternehmen sind Modetrends gefolgt. Die Eigenkapitalrentabilität wird durch eine hohe Fremdfinanzierung angestrebt, nicht breit gefächerte, sondern fokussierte Unternehmen erreichen die höchste Rendite, ein kapitalarmes Wachstum durch Outsourcing ist anzustreben. „Lean“ sein ist gut. Dieser Schlankheitswahn ist sowohl in der Krise als auch im Aufschwung kritisch zu hinterfragen.

Aber als Berater haben Sie doch sicher schon vielen Firmen nachgewiesen, dass sie zu aufgebläht sind und gut abspecken können.

Blindleistung und Verschwendung – also Tätigkeiten ohne Kundennutzen – kann sich kein Unternehmen leisten. Um diese abzubauen, benötigt man aber gerade die Mitarbeiter als Know-how-Träger, die man für ein wenig mehr an Rendite abgebaut hat. Produktivitätssteigerungen und Null-Fehler-Produkte werden mit neuen Konzepten durch Mitarbeiter erreicht. Man kann schlank sein, dies aber mit Muskeln.

Was fällt für Sie in die Kategorie Muskeln?

Zum Beispiel ein gutes Ideen- und Kreativitätsmanagement, um schneller zu lernen als der Wettbewerber.

Kann man das Ideenhaben verordnen?

Kreativität lässt sich organisieren. Wenn Mitarbeiter in Gruppen eine Stunde pro Woche darüber nachdenken, was man besser machen kann und dieser Prozess mit Problemlösungsmöglichkeiten unterstützt wird, lassen sich hohe Rationalisierungspotenziale heben.

Eine Stunde beim Duschen, Anziehen und Frühstücken?

Lernen im Unternehmen erfordert, wie in der Schule, einen Lernort. Auch müssen Verbesserungsmöglichkeiten durch Benchmarking, also dem Vergleich mit den Besten, aufgezeigt werden. Eine Zerlegung des Problems und eine Kommunikation unter Wissenden nach dem Motto: Ich habe eine Idee und Du hast eine Idee, also hat jeder zwei, ist erforderlich.

Gibt es Firmen die das gut können?

Die Deutz Motorenwerke, EADS, Siemens, Knauf oder die Mittelständler Leistritz und IWIS-Ketten sowie die Dienstleister TÜV-Süd oder die Stadtwerke München sind als Beispiel anzuführen. Sie referieren auch über ihre Konzepte in unserem Münchner Management Kolloquium. Aber: Je erfolgreicher ein Unternehmen in der Vergangenheit war, umso schwieriger ist es, solche Programme zu initiieren.

Und positiv gewendet?

Wichtig ist eine modulare Organisation, also eine mit autonomen, dezentralen Einheiten, die sich schnell an lokale Besonderheiten anpassen können. Die Einheiten müssen von Unternehmern im Unternehmen geführt werden. Solche Strukturen sind aus Sicht der Kunden von außen nach innen zu entwickeln, wodurch die Prozesse so zu gestalten sind, dass sie beim Kunden beginnen und beim Kunden enden. Dabei müssen alle Kunden, auch in jeder Entfernung, gleichermaßen Zugriff auf die Ressourcen haben. Auch ist die Sicherung von Kernkompetenzen einem kurzfristigen Vorteil vorzuziehen. Last but not least, sind gleiche Strukturen mittels der Delegation von Verantwortung aufzubauen.

Hat das deutsche Erfolgsmodell Export ausgedient?

Der Export wird auch wieder ein Hebel für profitables Wachstum sein. Aber nicht nach dem gleichen Muster wie früher. Wichtig werden Wachstumskonzepte, um zu mehr Nachhaltigkeit mit qualitativem Wachstum durch Service zu gelangen. Eine noch stärkere Einbeziehung der Kunden in den Innovationsprozess mit dem Ziel, Kundenprobleme ganzheitlich zu lösen, wird Wachstumsimpulse bringen. Auch die Vermeidung von schädlichen Umweltwirkungen erfordern HighTec-Produkte, wenn man nicht auf einen hohen Lebensstandard verzichten will. Ein solches Wachstum wird aber nicht mehr allein durch Export, sondern in arbeitsteiligen globalen Netzwerken stattfinden.

Was heißt das?

Die Partner im globalen Markt wollen an der Wertschöpfung teilhaben. Produkte sind entsprechend den Markterfordernissen zu lokalisieren. So wird ein MAN-Motor beispielsweise mit weniger Funktionalität und niedrigeren Kosten in Indien verbaut.

Für deutsche Arbeitsplätze klingt das nicht gut.

Es wird beklagt, dass die Löhne zu hoch und die Arbeitszeiten in Deutschland zu kurz sind. Aber dies sind nicht die alleinigen Hebel für die Wettbewerbsfähigkeit. Betrachtet man die Stellgrößen auf die Herstellkosten eines Produktes, so hat die produktionsgerechte Produktgestaltung mit einem Anteil von 50 % die größte Ausweitung. Die Optimierung der Produktionsprozesse führt zu einer Beeinflussung der Herstellkosten von 25%, die Veränderungen der gesellschaftlichen, politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen hat den gleich hohen Effekt. Also können die größten Stellhebel von den Unternehmen klar beeinflusst werden. Dies eröffnet Chancen für neue Arbeitsplätze in Deutschland, obwohl viele lohnintensive Arbeitsumfänge abwandern werden.

Dann ist der Industriestandort Deutschland tot.

Noch ist die Produktivität und Qualität der Produkte – verbunden mit einer hohen Innovationsrate – ungleich höher als in Schwellenländern. Durch höhere Automatisierungsgrad, hoch qualifizierte und motivierte Mitarbeiter werden Arbeitsplätze auch in Deutschland gesichert. Außerdem hat Deutschland einen weiteren Vorteil: Es gibt viele starke, mittelständische Unternehmen mit einer hohen Innovationsrate. Durch ein geschicktes Managen der Wertschöpfungsketten lassen sich nach wie vor Alleinstellungsmerkmale erzeugen.

Wann kommt der Aufschwung in Deutschland?

Viele Branchen werden das Leistungsniveau von 2007 erst Ende kommenden Jahres oder auch erst 2011 wieder erreichen. Bis dahin gibt es nur ein geringes Wachstum und damit auch der Beschäftigung.

Welche Rolle spielen die Banken?

Die Finanzierung ist ein Schlüsselthema. Die Banken beurteilen die Bonität ihrer Schuldner allein nach Sicherheiten. Worauf es ankommt, ist die Werthaltigkeit von Strategien und Produktideen.

Wie soll ein Banker die beurteilen?

Er benötigt eine neue Beurteilungskompetenz, die er vor allem durch erfahrene Leute aus der jeweiligen Industrie erhält. Die Vorfinanzierung von Entwicklungsprojekten oder neuen Geschäftsmodellen erfordert ein intensives Verstehen, welches die Befähiger für mehr Beschäftigung und profitablem Wachstum sind.

VorherigeNächste