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Kundeneinbeziehung als Stellhebel in der Produktentwicklung

[13.05.2005]

Foto: coramax / fotolia.com
Der Ausrichtung des Unternehmens am Kundennutzen liegt die Annahme zugrunde, dass der langfristige Geschäftserfolg auf der Zufriedenheit des Kunden beruht. Kundenorientierung bedeutet also die Bewertung von Produkten, Prozessen und Strategien eines Unternehmens unter dem Gesichtspunkte, welchen Nutzen die Kunden des Unternehmens daraus ziehen. Eine Kundenbefragung ist somit ein starkes Signal für die Erfüllung von Kundenanforderungen bei den eigenen Produkten und den Produkten des Wettbewerbs. Sie liefert nicht nur Daten, sondern lenkt die Aufmerksamkeit der Kunden auf die Themen, die für die Produktgestaltung relevant sind. Vor allem in der frühen Konzeptphase der Produktgestaltung ist es essentiell, erste Erkenntnisse über die Kundenreaktionen und –wünsche zu erhalten. Eine gut organisierte Befragung, die die relevanten entwicklerischen Fragestellungen rund um das Produkt quantitativ und qualitativ behandelt, ist daher ein wirkungsvolles Instrument der strategischen Programmplanung.

Ausgangssituation

Der große Vorteil gut strukturierter Befragungen ist, dass sie eine aktive Stellungnahme der befragten (potenziellen) Kunden auslösen und nicht bloß eine passive Kenntnisnahme der angebotenen Informationen. Das dies in der frühen Konzeptphase besonders wichtig ist, wurde im Rahmen eines Projektes zur Neugestaltung eines Laderaums für einen Automobilhersteller deutlich. Hier bestanden schon zahlreiche Ideen und Innovationen, die teilweise bereits in prototypischer Form bestanden. Unklar war jedoch, wie der Kunde diese beurteilen würde. In der bisherigen Vorgehensweise wurden in Sitzungen des operativen Steuerkreis subjektive Entscheidungen „aus dem Bauch heraus" getroffen. Es war nur unzureichend bekannt, wie wichtig der Kunde einzelne sowohl beim eigenen als auch beim Wettbewerbsprodukt bestehende Konzepte bewertet. Informationen lagen entweder gar nicht oder nur qualitativ aus anderen Befragungen auf Gesamtfahrzeugebene vor. Somit ging es primär um die Beantwortung der folgenden Fragestellungen:

  • Was sind die Kunden-Anforderungen?
  • Worauf legen die Kunden Wert, worauf legen die Kunden keinen Wert?
  • Was ist aus Kundensicht übertrieben?
  • Was fehlt bisher?
  • Was kann man besser machen?
  • Was hat der Kunde für Anmerkungen?
  • Wie sieht der ideale Laderaum aus?

Vorgehensweise: Internetbasierte Conjoint-Analyse

Zielsetzung war es demnach, die Kundenanforderungen an das Modul Laderaum quantifiziert und nachvollziehbar zu erfassen. Im ersten Schritt wurde in Workshops die relevanten Fragestellungen aus Unternehmenssicht in einem interdisziplinären Team erarbeitet. Auf Basis der ermittelten Fragestellungen im Projekt wurde die Befragung geplant, bei der als Instrumentenmix eine Kombination aus persönlichem Fragebogen (paper-and-pencil) und Conjoint-Analyse zum Einsatz kam.Die Befragung erfolgte in 5 Stufen. In der ersten Stufe erhielten die Probanden einen selbsterklärenden Fragebogen, den Sie selbstständig ausfüllten. Hier wurden allgemeine Fragen zur Fahrzeugnutzung, Demographie und ähnlichem gestellt. In einer zweiten Stufe, der Einführung, wurde der Ablauf und die Zielsetzung der Befragung vorgestellt und das Betrachtungsobjekt abgegrenzt. Hierbei galt es, die Probanden an des Thema heranzuführen und Ihnen die relevanten allgemeinen Funktionsmerkmale des Laderaums zu erläutern. In der nächsten Stufe wurden die Probanden an zwei Fahrzeuge mit unterschiedlich ausgeführten Laderaumausstattungen herangeführt. Hier wurden Ihnen gezielt Fragen zu den Themen Wertanmutung und Praktikabilität gestellt. Im Rahmen dieser Befragungsstufe hatten die Probanden auch die Möglichkeiten einzelne Dinge auszuprobieren und Ihre Empfindungen und Erlebnisse aus eigener Erfahrung zu erläutern. Die Erkenntnisse und Kommentare der Probanden wurden dabei von geschulten Interviewern festgehalten. Nach Anschluss dieser Stufe wurden die Probanden an einen weiteren Laderaum herangeführt, welcher prototypenhaft mit einigen Innovationen ausgestattet war. Den Probanden wurden die Funktionen erläutert und vorgeführt. Auf Basis dessen wurden Ihnen gezielt Fragen zur Praktikabilität, Nutzung und Mehrpreisfähigkeit gestellt. In der letzten Stufe hatten die Probanden die Möglichkeit, am PC Ihre Anforderungen gezielt mittels Conjoint-Analyse wiederzugeben. Dabei kam die sogenannte Adaptive-Conjoint-Analyse (ACA) zum Einsatz. Im Mittelpunkt der ACA stehen Paarvergleiche von Produktkonzepten, die die Auskunftspersonen an Hand von Teilprofilen gegeneinander abwägen. Damit wird dem verhaltenspsychologischen Umstand Rechnung getragen, dass menschliches Bewerten meist auf Paarvergleiche ausgerichtet ist. Dieses Verfahren wird als adaptiv bezeichnet, weil das Programm auf Basis der bereits gegebenen Antworten berechnet, mit welchen Fragen und Antwortvorgaben der Befragte im nächsten Schritt konfrontiert werden soll. Dadurch ist es möglich, die Anzahl der verwendeten Funktionen zu erhöhen, ohne das dies eine Informationsüberlastung der Auskunftsperson zur Folge hatte.

Ergebnis

Die Daten wurden strukturiert nach unterschiedlichen Zielgruppen, Fahrer-Profilen und Nutzungsarten ausgewertet. So wurden unterschiedliche Präferenzen von Fahrern unterschiedlicher Marken identifiziert. Die Nutzenwerte aus der Conjoint-Analyse wurden den Kosten- und Leistungsdaten gegenübergestellt. Dabei wurde ersichtlich, dass der Großteil der Probanden eher funktionsorientiert ist und hoch technologische Konzepte wie u.a. einen automatischen ausfahrbaren Ladeboden ablehnt. Die Mehrheit der Probanden klagten oftmals über schlecht funktionierende Abdeckrollos und schwer zu bedienende Rücksitzbänke. Drei von insgesamt sieben möglichen Innovationen wurden durch die Mehrheit der Befragten bestätigt und bewegten sich zudem in einem akzeptablen Kosten-Nutzen-Verhältnis. Mehr als 50 % der abgefragten Merkmale lieferten neuen Gesprächsbedarf aufgrund der vorliegenden Kundenpräferenzen. Vielfach musste der bestehende Planstand noch einmal im Kernteam auf Basis der vorliegenden Kosten-Nutzen-Verhältnisse diskutiert und Handlungsempfehlungen abgeleitet werden. Die Kundenanforderungen konnten somit schon bereits in der Konzeptphase produkttechnisch in das bestehende Konzept integriert werden. Dadurch wurde sichergestellt, dass das entwickelte Konzept des Laderaums einer anforderungsgerechte Lösung entspricht und ein vertretbares Kosten-Nutzenverhältnis aufweist. So konnte sowohl teures Overengineering vermieden, als auch eine Fokussierung auf die kundenrelevanten Elemente des Laderaums erreicht werden.

Weiterführende Literatur

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