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Management industrieller Großprojekte

[26.03.2009]

Foto: yoshitaka / fotolia.com

Bei industriellen Großprojekten mit hohen Investitionsvolumina wird der Begrenzung des monetären Risikos eine hohe Bedeutung beigemessen. In der Historie gab es immer wieder Projekte mit teilweise signifikanten Abweichungen von Kosten-, Zeit- und Funktionszielen. Um die Erfolgswahrscheinlichkeit industrieller Großprojekte zu erhöhen, müssen Stellhebel gefunden werden, die Projektkomplexität reduzieren, eine bessere Arbeitsteilung gewährleisten und Projektabweichungen soweit wie möglich verringern.

Generelle konjunkturelle Einflüsse, wie die weltweite Finanzkrise, verändern die Anforderungen an ein industrielles Großprojekt in Hinblick auf Finanzierung und Leistungserbringung. Auch der Einfluss staatlicher Organe beeinflusst die Rahmenbedingungen und damit die Anforderungen an die Projektorganisation nachhaltig. Neben einer Steigerung der Projektrisiken und des Ressourceneinsatzes wirft die zunehmende Größe von Projekten, speziell in der Luftfahrt, im Kraftwerksbau oder im IT-Bereich neue Fragestellungen auf. Hinzu kommt die Verkürzung des zur Verfügung stehenden Realisierungszeitraums (Time-to-Market) sowie eine erkennbar wachsende Komplexität der Projekte. Komplexität ist dabei nicht alleine von der Projektgröße abhängig. Vielmehr bedingen komplexere Kundenanforderungen die kundenindividuelle Anpassleistungen, die den Projektumfang weiter erhöhen und mit zusätzlichen Kosten verbunden sind. Dabei werden häufig aus technischer und betriebswirtschaftlicher Sicht Grenztechnologien eingesetzt, die nur schwer handhabbar sind und für die nur geringe Erfahrungswerte vorliegen.

Ein Indikator für die fehlende Beachtung dieser Veränderungen ist die Tatsache, dass trotz der Vielzahl eingesetzter Steuerungs- und Controllinginstrumente, viele Projekte scheitern oder nur durch massive Kostenüberschreitung gerettet werden konnten. Mehrkosten im Bereich vertraglicher Auftragnehmer-Auftraggeber-Beziehungen führen erfahrungsgemäß zu Vertragsstrafen für Verzögerungen und Nutzungsausfälle in Höhe von 5-15% der Gesamtprojektsumme.

Prominente Beispiele, aber bei weitem keine Einzelfälle, sind die vereinheitlichte IT in der Steuererhebung (FISCUS), die fahrerlose U-Bahn U3 in Nürnberg (RUBIN), oder auch die Autobahn-Maut (TollCollect). Bei der Autobahn-Maut beliefen sich die vertraglich vereinbarten täglichen Vertragsstrafen auf 250-500 TEUR, was zu einer Schadensersatzsumme im Schiedsverfahren von 5,1 Mrd. EUR führte. Das Beispiel zeigt, dass bei den üblichen Projektumfängen von industriellen Großprojekten leicht hohe Millionenbeträge zustande kommen. Im Kontext eng kalkulierter Gewinnmargen bedeutet dies häufig die Gefährdung des kompletten Projekterfolgs.

Auch die Luftfahrtindustrie ist betroffen. Die Komplikationen beim Airbus A380 oder auch beim Dreamliner 787 von Boeing machen deutlich, dass auch hier hoch komplexe Projekte durch unvorhergesehene Probleme und Lücken in organisatorischen und personellen Bereichen weit teurer wurden als ursprünglich im Budget vorgesehen. Der finanzielle Schaden wird alleine bei Airbus von Experten auf bis zu 5 Mrd. EUR beziffert.

Es stellt sich die Frage, anhand welcher Stellhebel das Management industrieller Großprojekte verbessert werden kann und wie sich damit Lücken in verschiedenen Problemfeldern schließen lassen.

Realistische Erwartungen:

Ziel jedes Großprojekts ist die Einhaltung der gesetzten Projektziele. Empirische Analysen zeigen, dass bei klar definierten Erwartungen der beteiligten Parteien und robusten Projektmanagementstrukturen schon am Ende der Konzeptionsphase bis zu 75% der Kosten feststehen, zum Ende der Designphase 85% und zum Ende der Testphase 95%. Herrscht hingegen keine Klarheit über realistische Projektziele, so kann es zu einer Verschlechterung der Prognosegenauigkeit kommen. Ursachen sind unzureichend auf den Projektumfang angepasste Verträge oder auch eine verfälschte Wahrnehmung der Beteiligten über die Durchführbarkeit eines Großprojekts. Die Folge ist, dass schon zu Projektbeginn enorme Informationsdefizite bei den beteiligten Gruppen auftreten, die den langfristigen Projekterfolg gefährden können.

Professionelles Erwartungsmanagement antizipiert unsichere Grenztechnologien. Insbesondere bei Großprojekten im IT-Bereich wird häufig auf ideologische Lösungen gesetzt, die viel versprechen, jedoch im produktiven Einsatz nicht zielführend eingesetzt werden können. Dies ist insbesondere aufgrund der zunehmenden Bedeutung staatlicher Organe relevant, die neben klaren Kostenprognosen, auch klare Leistungsabschätzungen fordern.

Kommunikation und Controlling:

Um Abweichungen erkennen zu können und Schwächen zu beseitigen ist ein effizientes Controlling und eine zeitnahe Kommunikation erforderlich. Studien belegen, dass Kommunikationsprobleme und Informationsdefizite mit der Projektkomplexität exponentiell zunehmen. Eine Vielzahl industrieller Großprojekte scheitert, da die Projektabwicklung, aufgrund fehlender oder unzureichender Kommunikation mit den Stakeholdern, nicht effizient und effektiv erfolgen kann. Gründe sind asymmetrisch verteiltes Fachwissen oder auch die Verhinderung eines Knowledge-Transfer zwischen den beteiligten Parteien aus Angst vor einem Arbeitsplatzverlust.

Eine transparente durchgängige Kommunikation mit internen und externen Stakeholdern hilft Abweichungen im Projektverlauf zeitnah zu identifizieren und geeignete Gegenmaßnahmen einzusteuern. Durch den Abbau von Kommunikationsbarrieren kann eine Verbesserung der Informationsgenauigkeit erreicht und damit die Kostenprognosegenauigkeit um 5-10% gesteigert werden. Ein durchgängiges Controlling schafft Transparenz und ermöglicht Nachprüfbarkeit. Das Management kann die Kommunikation im Unternehmen verbessern, indem Kommunikationsrichtlinien definiert werden und auf institutionalisierte Instrumente zurückgegriffen wird. Es sind verschiedene Formen denkbar: Visualisierung, Intranet-Portale, regelmäßige Präsentationen des Managements, Patenschaften, Berichtswesen und "regelmäßige" Teamsitzungen haben alle gemeinsam, dass die Kommunikation im Unternehmen und damit die Transparenz erhöht wird.

Netzwerkmanagement:

Die Ausgestaltung des Netzwerkmanagements eröffnet neue Möglichkeiten zur Ressourcenbündelung durch optimierte Arbeitsteilung. Wenn in der Vergangenheit die Verbesserung interner Prozesse im Vordergrund stand, geht es heute zunehmend um die Optimierung der Abläufe in allen Wertschöpfungsstufen. Es darf nicht mehr alleine phasenorientiertes, sequenzielles Arbeiten unterstützt werden, vielmehr muss schon jetzt eine stark parallele Projektabwicklung gewährleistet werden. Es sollte dabei auf eine symmetrische Prozessorganisation zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer geachtet werden. Neben einem Steuerungskreis, in dem Führungskräfte beider Unternehmen präsent sind, ist auf beiden Seiten ein dedizierter Projektmanager oder Netzwerkkoordinator nach dem Prinzip des Key-Account-Managers notwendig, der Schnittstellen zu beteiligten Geschäftsbereichen kontrolliert und die vertragliche Leistungserfüllung gewährleistet.

Unternehmen sind darauf angewiesen, dass alle beteiligten Projektteams eigenständig in deren Fachgebieten und Zuständigkeiten agieren können. Durch eine starke Vernetzung im Extra- und Intranetbereich können Informationsasymmetrien zeitnah ausgeglichen werden und Probleme noch in ihrer Entstehungsphase gelöst werden. Dies umfasst den firmeninternen Einsatz von Internet-Technologien in allen Geschäftsprozessen, Unternehmens- und Funktionsbereichen, sowie die Kooperation mit Geschäftspartnern, Zulieferern, Distributoren und Händlern. Auch technische Aspekte, wie die Einführung hoch effizienter IT-basierter Steuerungsinstrumente sind von Bedeutung. Vertikales und horizontales Projektmanagement ist zu verbinden, um professionelles Vertragsmanagement, klar definierte vertragliche Sanktionen sowie die Einbeziehung von Alternativlösungen in die Planung zu erweitern.

Personalwahl:

Die Personalwahl hilft individuelle Anforderungen und Probleme zielgerichtet zu identifizieren und zu lösen. Industrielle Großprojekte mit einer Vielzahl beteiligter Parteien bergen ökonomische und politische Risiken, die durch die optimale Wahl des Personals frühzeitig erkannt und umgangen werden können.

Trotz eines zunehmenden Kostendrucks versuchen Unternehmen die Internationalität der Mitarbeiter und somit die Fähigkeit zur optimalen Abwicklung von regionalen Projekten zu erhöhen. Studien belegen, dass zukünftig mit mehr international arbeitenden Mitarbeitern zu rechnen ist, die neben technischen Fähigkeiten insbesondere Kreativität (55%), Teamfähigkeit (36%) Beharrlichkeit (29%) und Managementfähigkeiten (26%) besitzen.

Bei der Auswahl der Mitarbeiter muss dabei auf kulturelle Einflüsse geachtet werden, um Konfliktpotenzial innerhalb einer komplexen Vertragsbeziehung zu reduzieren. In Theorie und Praxis werden häufig "Machtunterschiede", "Individualismus", "Unsicherheitsvermeidung", "maskuline und feminine Werte" und die "zeitliche Orientierung" als Ordnungskriterien genannt. Insbesondere der Unsicherheitsvermeidung kommt dabei eine hohe Bedeutung zu. In romanischen Ländern, aber auch in Deutschland, ist die Vermeidung von Unsicherheit im besonderen Fokus des Managements. In vielen asiatischen Ländern, insbesondere in China, ist dies deutlich geringer ausgeprägt. Durch die Beachtung kultureller Einflüsse kann verhindert werden, dass unterschiedliche Wertvorstellungen den Erfolg industrieller Großprojekte gefährden.

Auch die technische Verantwortung für das Projektkonzept muss klar definiert und durch Human-Resource-Richtlinien und Qualifikationskarten umgesetzt werden. Dies hilft beim Aufbau einer passgenauen, auf Zusammenarbeit ausgerichteten Projektorganisation. Bei politischen Fragestellungen und Problemen muss ein Projektleiter in der Lage sein, das notwendige Fingerspitzengefühl zu zeigen, um keine unnötigen Verwerfungen und damit Verzögerungen zu verursachen.

Defizite beim Management sind zu identifizieren und mit Hilfe der vorgestellten Stellhebel zu eliminieren.

Kostenprognosen helfen dabei während der Initiierungsphase eines Projekts die beteiligten Gruppen zu tragfähigen Entscheidungen zu befähigen und robuste, durch das Projektcontrolling nachprüfbare Zielsetzungen zu entwickeln. Um die prognostizierten Kosten einhalten zu können, muss sich das Projektmanagement von sequenziellen Arbeitsweisen verabschieden und durch die optimale Qualifikation der Mitarbeiter einen möglichst störungsfreien Projektablauf gewährleisten. Dies schafft die Grundlage für die Umsetzung neuer strategischer und operativer Konzepte zur nachhaltigen Performance-Verbesserung bei industriellen Großprojekten.

Weiterführende Literatur:

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