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Messeaudit als Basis für strategische Produkt-Entscheidungen

[18.01.2022]

Foto: adobe / engel.ac

Wieso verkauft mein Wettbewerber mehr Produkte als ich? Warum ist mein Produkt teurer und wie hat der Wettbewerber eine bestimmte Kundenanforderung technisch gelöst? Eine geeignete Methode, um genau dies herauszufinden, ist das Messeaudit. Ein Unternehmen aus dem Maschinenbau hat sich genau diese Fragen gestellt, jedoch fehlen ihm die notwendigen Ressourcen und Vorgehensweisen für ein detailliertes Messeaudit. Diese müssen neben dem eigentlichen Audit auch gründlich vor- und nachbereitet werden. Deshalb setzte das Unternehmen mit TCW ein Projekt auf, um mit der Methode des Messeaudits herauszufinden, wie die eigenen Produkte im Vergleich zum Wettbewerber dastehen und was der Wettbewerber anders macht als das Unternehmen selbst.

Notwendigkeit des Messeaudits

Das betrachtete Unternehmen verfügt über mehrere Standorte weltweit, welche in unterschiedlichen Kundensegmenten operieren. In den letzten Jahren ist der Auftragseingang bei diesem Unternehmen, wie auch in der gesamten globalen Branche stagniert, sodass der Markt immer umkämpfter wird. Grund dafür sind neben dem Eintritt neuer Marktbegleiter auch die fehlende Investitionsfreude der Kunden. Daher gilt der Markt als preissensibel und die Unternehmen punkten mit ausgeklügelten Lösungen für die Kundenanforderungen. Bei der Entwicklung dieser lassen sich die Unternehmen nicht in die Karten schauen und somit dient die Messe, wo Neuheiten dem Endkunden präsentiert werden, als geeignete Gelegenheit Informationen über die Wettbewerber und deren Produkte zu erhalten. Bei dem durchgeführten Messeaudit galt es einen direkten Vergleich zu den Wettbewerbern zu schaffen, um aufzuzeigen, in welchen Bereichen die Produkte besser aufgestellt sind. Hierzu wurden zunächst Kriterien erfasst, welche als Basis für die durchgeführten standardisierten Fragebögen in den Bereichen Technik, Kundennutzen und Intern/Wettbewerber dienten. Auf der Messe anwesende Marktbegleiter wurden identifiziert und die Produkte eingegrenzt.

Das Konzept des Messeaudits

Messeaudits können – je nachdem wie sie ausgelegt werden – dazu eingesetzt werden, um den Status quo bzw. den IST-Zustand des eigenen Unternehmens oder besser noch den der Produkte im Markt zu analysieren und diesen dann mit der vorher definierten Zielsetzung zu vergleichen. Dabei lässt sich so überprüfen, wie Produkte abseits der Leistungs- und Verbrauchsdaten im Vergleich zum Wettbewerb abschneiden und ob diese besser sind oder möglicherweise noch Defizite aufweisen. Um Erfolg allerdings messen zu können, müssen bestimmte Dinge beachtet werden. So sollten im Vorfeld vergleichbare Kriterien aufgestellt werden. Diese können entweder bereits auf dem Produktdatenblatt eingesehen oder auch in Abstimmung mit den Mitarbeitern vorab bestimmt werden. Dabei handelt es sich auch um nicht zahlenbasierte Werte und Kriterien, welche dem Kunden einen Mehrwert bieten oder die eigenen Kosten senken. Um diese Kriterien der Wettbewerber herauszufinden, dienen Audits als ideales Hilfsmittel, zumal sie unabhängig von der Ebene sind, auf der sie ausgeführt werden. So können Audits nicht nur in einem Tätigkeitsfeld übergreifend, sondern auch auf sehr kleine Bereiche bzw. Ebenen bezogen sein.

Um das Messeaudit zu strukturieren, wurden gemeinsam mit den Mitarbeitern des Unternehmens die Ziele und Inhalte für das Audit erarbeitet. Die Kernfragen, der Untersuchungsgegenstand bei den Wettbewerbern sowie die Prämissen wurden abgestimmt und festgelegt. In enger Zusammenarbeit mit dem Team wurde das detaillierte Vorgehen ausgearbeitet. Nach der Identifikation der Markttrends, kundenrelevante Produktmerkmale, Technologien und mögliche Branchenschwerpunkte, erfolgte die Umsetzung in ein Messe-Auditkonzept und eine Zusammenfassung in einem abgestimmten Auditfragebogen. Wichtig für ein erfolgreiches Messeaudit war dabei die erfolgte Schulung der Mitarbeiter zur Durchführung, sowie die Aufteilung in Teams und die Rollenverteilung. Zu diesem Zweck wurde ein detaillierter Besuchsplan für die Messehallen mit den jeweiligen Interviewzeiten an den einzelnen Ständen erstellt.

Der nächste Schritt ist die Durchführung des Messeaudits selbst. Basis dafür war der vorab entwickelte Fragebogen und die Auditguideline. Während der Interviews war es notwendig, das Verfahren und Vorgehen an den individuellen Interviewpartner anzupassen. Zu diesem Zweck werden die Ergebnisse aus früheren Interviews in Feedbackrunden während der Messe an das gesamte Team weitergegeben. Das im ersten Schritt erarbeitete Verfahren sowie die Übernahme verschiedener Rollen während des Interviews (Wechsel von Interviewleiter und Beobachter) sind sehr hilfreich. Unmittelbar nach dem Interview wurden die Interviews mit den ausgewählten Unternehmen dokumentiert sowie weitere Informationsquellen wie schriftliches Informationsmaterial und Bilder gesammelt und überprüft.

Die einzelnen Fragebögen für die Unternehmen wurden unter Berücksichtigung zusätzlicher Dokumente wie Fotos und Informationsmaterial zu Unternehmen/Produkten überprüft, bewertet und entsprechend den Kernfragen vorbereitet. In einem darauffolgenden Workshop wurden die konsolidierten Ergebnisse vorgestellt und mit Mitarbeitern und Experten aus den jeweiligen Abteilungen ausführlich diskutiert. Die Zusammenfassung der Themen erfolgte in einem Auditbericht mit einer Beschreibung des Verfahrens, der Ergebnisse und der daraus resultierenden Schlussfolgerung.

Fazit

Das Unternehmen konnte neben technischen Erkenntnissen wie der Anwendung bestimmter Fertigungsmaterialien und der Konstruktion bestimmter für den Endkunden wichtigen Funktionen, weitere Erkenntnisse aus dem Messeaudit ableiten. So war neben dem technischen Fragebogen vor allem der Fragebogen, welchen den Wettbewerber direkt betrifft, sehr aufschlussreich. Es wurde festgestellt, dass ein zu hoher Listenpreis den Kunden eher abschreckt, auch wenn hohe Rabatte gegenüber den Händlern und somit den Endkunden gewährt werden. Aus Kundensicht zeugt ein hoher Listenpreis nicht gleich von einem Premiumprodukt, da der offensichtliche Marktführer in diesem Bereich einen wesentlich geringeren Preis anbietet.

Die Globalisierung und Entwicklung in Schwellenländern bewirkt, dass die Nachfrage in diesen Ländern wächst. Hierzu fordert der Kunde eine schnelle Verfügbarkeit des technischen Service vor Ort, um einen langfristigen Maschinenstillstand zu verhindern. Die Orientierung einiger Wettbewerber weg vom reinen Maschinenbauer hin zu einem Serviceanbieter hat zur Folge, dass diese an Marktanteilen gewinnen, speziell in neuen Märkten. Deshalb ist es notwendig eine globale Präsenz mit Kunden- und Marktnähe zu haben.

Mit den Projektergebnissen konnte ein Fundament geschaffen werden, welches für das Management als Planungs- und Entscheidungsgrundlage für das kurz- und mittelfristige Vorgehen für das betrachtete Produktsegment bildete. Durch die transparente Darstellung der Lage zu den Wettbewerbern konnte man strategische Entscheidungen treffen, um sich vom Wettbewerb abzuheben und das Unternehmen für die Zukunft aufzustellen. Vor allem die transparente Darstellung der Kosten und Funktionsgestaltung bildeten die Basis für eine darauffolgende Produktklinik zur Senkung der Kosten und Erhöhung des Wertbeitrags für den Kunden.

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