[12.11.1999]
Zum Aufbau und Sicherung langfristiger Wettbewerbsvorteile müssen nicht-imitierbare Differenzierungsmerkmale genutzt werden. Hierzu zählt, auch im Telekommunikationsmarkt, der Service. Nur mit Hilfe eines systematischen Service-Engineering kann der dauerhafte Erfolg des Unternehmens sichergestellt werden.
Der Telekommunikationsmarkt für Endkunden wurde vor der Liberalisierung durch den Monopolisten Deutsche Telekom AG beherrscht. Dem privatisierten früheren Staatsbetrieb wurden insbesondere zwei Eigenschaften nachgesagt: hohe Gesprächspreise und schlechter Service. Wissenschaftliche Untersuchungen und branchenspezifische Erhebungen (z. B. durch die Fachzeitschrift ‘connect‘) zeigen, dass sowohl der Preis als auch der Service als Erfolgsfaktoren auf dem Telekommunikationsmarkt der Sprachübermittlung gelten. Auch auf diesem Markt gilt es für neue Anbieter, bei einem Markteintritt das sich bietende Differenzierungspotential zu nutzen.
Grundsätzlich kann zwischen den Strategien der Kostenführerschaft und der Qualitätsführerschaft unterschieden werden. Viele Telekommunikationsanbieter haben auf dem schnell reagierenden Markt zunächst versucht, einen Wettbewerbsvorteil über den Preis zu erlangen, wie auch Gerhard Schmid, Vorstandsvorsitzender der MobilCom AG, in seinem Interview in der Absatzwirtschaft 08/99 bekräftigte.
Durch die Homogenität des Produktes ‘Sprachübermittlung‘ ist die Position eines Anbieters, der einzig auf das Differenzierungsmerkmal ‘Preis‘ setzt, jedoch schnell durch die Konkurrenz einholbar, kein Alleinstellungsmerkmal und kein langfristiger Wettbewerbsvorteil. Beim Service handelt es sich um jedoch um einen Erfolgsfaktor, der schwer imitierbar ist und daher zu langfristigen Wettbewerbsvorteilen führt. Er trägt ferner zur Erschließung neuer Märkte und somit neuer Ertragsquellen bei. Das Wachstum entsteht zum einen durch zusätzliche Einnahmen aus dem Verkauf aufgrund des guten Serviceangebotes, zum anderen auch durch die Erhöhung der Kundenbindung. Die Kunden nehmen die Serviceleistung als eine positive Erweiterung des bestehenden Lösungsangebotes wahr.
Immer mehr Anbieter, auch in anderen Branchen, gehen nach Erreichen der Kostenführerschaft oder der Qualitätsführerschaft dazu über, sich unter Beibehaltung ihrer bisherigen Position zusätzlich auch in Richtung der jeweils anderen stategischen Dimension zu bewegen. Die Unternehmen nutzen die sogenannte Outpacing-Strategie, um beide Positionen in ihrem Produktangebot zu vereinen, indem insbesondere Neuprodukte gleich beide
Aspekte wiederspiegeln. So wird eine vom Kunden wahrgenommene ‘Value-for-money‘-Position erreicht. Auch Gerhard Schmid sagt nun (Absatzwirtschaft 08/99): ‘(...) Wir werden das Image des Preisbrechers ergänzen durch andere Attribute, wie zum Beispiel schnell, flexibel, freundlich (...).‘ Eine späte Einsicht, denn die strategische Bedeutung des Service als Differenzierungskriterium im Sinne einer Qualitätsführerschaft und als Erfolgsfaktor im Wettbewerb verlangt, dass bereits im Vorfeld der Entwicklung von Sachleistungen eine Strategie nicht nur für diese Leistungen, sondern auch für zugeordnete Serviceleistungen erfolgen muss. Eine Entwicklung von Serviceleistungen durch ein systematisches Service-Engineering ist erforderlich, um die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens erhalten bzw. langfristig ausbauen.