[28.08.2002]
Empirische Untersuchungen zeigen, dass von 100 F&E-Projekten durchschnittlich lediglich 57 technisch erfolgreich sind, in dem Sinne, dass die Anforderungen in einem funktionsfähigen Prototyp realisiert werden können. Tatsächlich am Markt eingeführt wurden schließlich nur 31 Projekte, von denen wiederum nur 12 wirtschaftlich erfolgreich waren. Insgesamt bedeutet dies, dass knapp 90 % der Ressourcen in wirtschaftlich nicht erfolgreichen Entwicklungsprojekten gebunden sind. Erfolgreiches Innovationsmanagement erfordert demnach ein Instrumentarium, das im Sinne eines Frühwarnsystems zu erwartende erfolgreiche von nicht erfolgreichen Projekten separiert.
Vor der Einführung von sogenannten Abbruchkriterien besaßen die betrachteten Unternehmen der Elektronikindustrie keine Systematik zur Bewertung von Entwicklungsprojekten hinsichtlich ihrer Abbruchwürdigkeit. Die geringe Anzahl von erfolgten Projektabbrüchen war meist Resultat von verlorenen "Machtkämpfen" konkurrierender Entwicklungsteams und nicht das Ergebnis realisierter Wirtschaftlichkeitsanalysen. Durch die Einführung von Abbruchkriterien sollte eine Möglichkeit geschaffen werden, laufende Projekte auf prognostizierbaren technischen und wirtschaftlichen Erfolg zu überprüfen. Ziel war es, durch eine möglichst frühzeitige Erkennung über die Fortführung oder den Abbruch eines Projekts entscheiden zu können und damit eine Verschwendung von Ressourcen wie Prüfungsmitteln und Mitarbeiterkapazitäten zu vermeiden.
Die praktische Nutzung des Kriterienkatalogs stützte sich auf Aufnahme, Systematisierung und Gewichtung der Abbruchkriterien. Sie wurden in einem ersten Schritt in verschiedene Bereiche wie ROI (z. B. Entwicklungskosten), Termin (z. B. Liefertermin, Verfügbarkeit), Technologie (z. B. Funktionalität, Innovationsgrad) und Markt (z. B. Produkteinführungsstrategie) segmentiert. Jedes Kriterium wurde im Anschluss unter Beachtung der Unternehmensspezifika nach der Art des Projekttyps gewichtet. Mit Hilfe dieser Gewichtung erfolgten die Definition und Berechnung verschiedener Größen, wie Ziel-, Abbruch-, Prognose- und Toleranzwerte. Zu Beginn des Projekts wurden in der Konzeptionsphase die Zielwerte sowie Prognose- und Toleranzwerte festgelegt. Diese Kennzahlen dienten der Ableitung von Zielkorridoren für die verschiedenen Kriterien im laufenden Projekt. Zwecks Controlling wurden im Projektplan in regelmäßigen Abständen stattfindende Reviews eingeführt. In diesen Reviews erfolgte unter Anpassung der Kennzahlen an unvorhersehbare interne (z. B. Krankheit, Fehlentwicklung, etc.) bzw. externe (z. B. Änderung des Markts, Technologiesprünge, etc.) Faktoren die Überprüfung, ob Abbruchwerte einzelner Zielkorridore tangiert oder sogar überschritten wurden. Zur Visualisierung wurde ein Ampelsystem analog des Quality-Gate-Konzepts installiert, welches den Grad der Abweichung vom Prognosewert signalisiert:
Befinden sich mehrere Kriterien im gelben Bereich, ist eine weitergehende Analyse der betroffenen Entwicklungsprojekte durchzuführen. Wird eine vorab definierte Gesamtsumme der Kennzahlenausprägung überschritten, so weist dies ebenfalls auf einen möglichen Projektabbruch hin.
Durch die Einführung von Projektabbruchkriterien in der Elektronikindustrie konnten Entwicklungsprojekte in regelmäßigen Abständen standardisierten Reviews unterzogen werden. Bei Überschreitung der Kennzahlen eines Bereichs oder der Gesamtsumme wurden die Projekte auf einen möglichen frühzeitigen Abbruch hin überprüft und gegebenenfalls beendet. Die dadurch freiwerdenden F&E-Ressourcen konnten somit anderen Projekten zielführend zugeteilt werden. Im Ergebnis ließ sich ein bedeutendes Effizienzpotenzial realisieren.
Weiterführende Literatur: