[28.08.2001]
Empirische Untersuchungen belegen, dass eine Erhöhung der Entwicklungskosten um 50% zwar "nur" zu einer Ergebnisminderung von 5%, die Überschreitung der Entwicklungszeit um ein halbes Jahr bei fünfjährigem Produktlebenszyklus aber zu Gewinneinbußen von 30 % führt, die binnen kürzester Zeit das betreffende Unternehmen in eine existenzbedrohende Lage versetzen können. Eine reine Verkürzung von Entwicklungszeiten durch Synchronisation produkt- und prozessdefinierender Tätigkeiten und der Parallelisierung inhaltlich kaum veränderter Tätigkeiten reicht aber kaum aus, um die Zeit- und Kostenpotentiale im F&E-Bereich in konkrete Produkterfolge umzusetzen.
Ein Unternehmen der Fahrzeugzulieferindustrie stand vor der Problematik, dass die bisherigen Prozess- und Organisationsstrukturen in der Projektabwicklung eine den Zielvorgaben entsprechende rechtzeitige Markteinführung von Neuprodukten verhinderten. Konnte der anvisierte Einführungstermin doch noch gehalten werden, so ging dies mit einem sukzessive immer höher werdenden Ressourceneinsatz einher, der die Kosten explodieren ließ.
Die Vorgehensweise zur Reorganisation des Entwicklungsprozesses verfolgte mithin zwei Stoßrichtungen: Zum einen sollten durch ein grundlegendes Redesign der Geschäftsprozesse zur Grundlagen-, Neuprodukt- und Anpaßentwicklung der deterministische Anteil in den Prozessen erhöht und dadurch eine bessere Planbarkeit sowie eine Verkürzung der Intervalle zwischen Prozess und Rückkopplung ermöglicht werden. Hierzu wurde der Entwicklungsprozess zunächst zur Reduzierung der Komplexität und des Koordinationsaufwandes in einzelne, logisch abgegrenzte Phasen mit klar definierten Arbeitspaketen und Input-Output-Beziehungen strukturiert, so dass eine größtmögliche Transparenz über die Abhängigkeiten und zeitlichen Vernetzungen der parallel und sequentiell ablaufenden Prozessschritte erzielt werden konnte. Durch die durchgängige Definition von Quality Gates über alle Prozessphasen hinweg interne Fixpunkte im Prozess geschaffen worden, die aufgrund klar definierter Inputs verbindliche Vereinbarungen bzgl. zu erbringender Leistungen im Sinne eines internen Kunden-Lieferanten-Verhältnisses, eine Bewertung von Produkt- und Prozessreifegraden und abgesicherte Projektstände als Basis für das weitere Vorgehen ermöglichen.
Die zweite Stoßrichtung verfolgte eine tiefgreifende Reorganisation der Organisation in der Projektabwicklung. Ein Erfolgsfaktor war hier die Optimierung der Zusammenwirkung zwischen der Linien- und Projektorganisation. Grundsätzlich wurde die Organisation der Linienfunktion als Dienstleister für die Projekte definiert, die Projektinteressen haben somit grundsätzlich Vorrang vor den Interessen der Linienorganisation. Dem sich hierin bergenden Zündstoff hinsichtlich zu erwartender Ressourcenkonflikten ist durch die Festlegung klar definierter Eskalationsstufen begegnet worden, die eine sukzessive Einbeziehung der Entscheidungsträger bis auf Vorstandsebene vorsieht. Grundsätzlich wurde der Schwerpunkt auf eine projektorientierten Organisationsform gelegt, die eine temporär vollkommen eigenständige Struktur aufweist. Diese Stärkung der Projektorganisation gegenüber der Linie bedeutet für das Unternehmen einen massiven kulturellen Wandel, der aber vor dem Hintergrund einer flexiblen Organisation in der Produktentwicklung unabdingbar ist. Als verbindliches Regelwerk für die gesamte Abwicklung von Entwicklungsprojekten wurde parallel zur Prozess- und Organisationsentwicklung ein Projektmanagement-Handbuch erstellt.
Durch das Prozessredesign und die Ausrichtung der Organisationsstruktur auf die Anforderungen einer effizienten Projektabwicklung konnte der außerordentliche Aufwand infolge wiederholt erforderlicher Produktanpassungen um ca. 30 % sowie die Durchlaufzeiten über alle Prozesse hinweg um über 20 % gesenkt werden. Zudem kann durch die nachhaltigen Verbesserungen der termin- und kostenmäßigen Situation zusätzlich eine höhere Innovationsrate erwartet werden.
Literaturhinweise: