[20.06.2003]
Die Umsetzung des JIT-Konzeptes in der Automobilindustrie basiert auch einer Intensivierung des Informationsaustausches von Automobilhersteller und Zulieferer durch eine mehrstufige Prognose- und Planungssystematik.
Empirische Analysen von bestehenden Lieferabrufsystemen in aktuellen Fallstudien der Automobilindustrie zeigen hohe Prognoseungenauigkeiten von durchschnittlich 60%. Bei derart hohen Prognoseungenauigkeiten wird das beschaffungslogistische System instabil. Zur Glättung von Bedarfen und Beständen setzen Disponenten heuristische Erfahrungswerte an, die in den Fallbeispielen zu einer Überschreitung von unternehmensinternen Bestandsreichweite-Vorgaben um bis zu 300% führen.
Die kombinierte Darstellung von Prognosegenauigkeit, ihrem Einflussfaktor Liefertreue und ihrer Wirkungsgröße Bestandsreichweitentreue in der Beschaffungslogistik kann als Indikatorenmodell für die logistische Stabilität insgesamt gelten. Bei einer Prognosegenauigkeit von 60%, einer Liefertreue von bis zu 50% und einer Bestandsreichweitentreue von unter 30% kann von einer instabilen Beschaffungslogistik in der Automobilindustrie ausgegangen werden.
Eine Ursachenanalyse dieser Schwankungen hat an den Einflussfaktoren der Bedarfe:
anzusetzen.
Insbesondere Lösungsansätze durch den Einsatz moderner logistischer Instrumente wie Liefertreuemessungen, Vendor Managed Inventory, Lieferanten-KANBAN und Milkruns (Rundläufe in der Beschaffungslogistik) sind geeignet, um wieder Stabilität und Prognostizierbarkeit in der Beschaffungslogistik zu fördern und müssen in der Automobilindustrie breiter eingesetzt werden. Liefertreuemessungen und Vendor Managed Inventories zielen auf eine Stabilisierung der Liefertreue und der Bestandsreichweiten. Mit KANBAN und Milkruns kann theoretisch vorhandenes und kostenintensiv bereitzustellendes aber praktisch nicht erforderliches Flexibilitätspotenzial von Lieferanten und Transporteuren durch eine kalkulierbare Risikoteilung der Prozesspartner und eine Standardisierung von Transportrelationen reduziert werden und damit die Prognoseungenauigkeit durch vereinbarte Grenzwerte eingeschränkt werden. Mit allen aufgeführten Instrumenten können die Negativauswirkungen in Form von einer geringen Bestandsreichweitentreue begrenzt werden.
In Industriefallstudien konnte die Liefermengen- und -zeittreue der kritischen Lieferanten durch Vereinbarungen auf Basis von Liefertreuemessungen, Vendor Managed Inventories, KANBAN und Milkruns von 50% auf über 95% gesteigert werden. Parallel dazu konnte der manuelle Dispositionsaufwand für diese Umfänge um 70% gesenkt werden. Im gleichen Maße konnten die Fehlteilsituationen in den Automobilwerken zurückgefahren und die Bestandshöhen flächendeckend um 50% reduziert werden.