[25.01.2000]
Die Anzahl von Informationen über Umbrüche mit potentiellen Auswirkungen auf das eigene Unternehmen nimmt stetig zu. Anhand der jeweiligen Auswirkung auf die Wertsteigerung kann die Fülle an Informationen strukturiert werden. Einen potentiellen Bereich der Wertsteigerung im Unternehmen stellen mitunter Produktinnovationen dar. Charakteristisch für erfolgreiche neue Produkte ist, dass sie das Kundenproblem häufig effektiver und direkter als ihre Vorläufer lösen. ‘Von Zeit zu Zeit muss ich meine Mitarbeiter daran erinnern, dass unsere Kunden nicht an Bohrmaschinen, sondern an Löchern in der Wand interessiert sind‘, bemerkt der Chefkonstrukteur eines Werkzeugherstellers. Sind sich die Mitarbeiter eines Unternehmens der Bedürfnisse ihrer Kunden bewußt, so werden relevante Veränderungen im Umfeld schneller wahrgenommen. Eine bewährte Möglichkeit, Produktinnovationen im eigenen Unternehmen anzustoßen bietet etwa die Produktklinik. Dabei wird eine am Kundennutzen orientierte, systematische Analyse von Konkurrenzprodukten vorgenommen. Der Vorteil liegt dabei nicht in der einfachen Übernahme von Lösungen anderer Hersteller, sondern in der Schaffung eines zentralen Lernortes für die Mitarbeiter.
Auch über das Angebot von Systemleistungen, also der Bereitstellung von Produkten sowie zugehöriger Dienstleistungen, kann eine Wertsteigerung im Unternehmen erfolgen. Dies kann entweder aus eigener Kraft oder im Verbund mit anderen Unternehmen geschehen. Der Erfolg großer Kopiergerätehersteller ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass dem Kunden neben dem Gerät als solches auch die Finanzierung sowie die Reparatur bzw. Wartung aus einer Hand angeboten werden.
Wertsteigerung im Unternehmen kann auch über erfolgreiche Kundenbindung erzielt werden. Dies verdeutlicht das Beispiel der Vielfliegerprogramme großer Fluggesellschaften. Es ist bekannt, dass inzwischen viele Passagiere sogar Umwege fliegen, um Prämienmeilen auf ihrem Konto gutgeschrieben zu bekommen. Diejenigen Fluggesellschaften die es verpaßt haben, rechtzeitig mit Partnern entsprechende Programme einzurichten, mussten bei sonst hervorragender Leistung bedeutsame Umsatzrückgänge hinnehmen.
Weiterhin haben Veränderungen auf den Beschaffungsmärkten Einfluss auf die Wertsteigerung. So können insbesondere Investitionen in neueste Technologien Quantensprünge hinsichtlich der Reduzierung von Stückkosten hervorbringen.
Aber auch von der Wertschöpfung vermeintlich entfernte Bereiche, wie etwa der Finanzbereich oder die Rechtsprechung, beinhalten beträchtliches Potential zur Beeinflussung der Wertsteigerung. Täglich werden durch das Financial Engineering neue Instrumente zur Absicherung von Auslandsgeschäften konstruiert. Sie erlauben die Abwicklung von Auslandsgeschäften, auf die wegen zu hoher Wechselkursschwankungen ehemals hätte verzichtet werden müssen.
Die Wissenschaft hält im wesentlichen drei Methoden zur frühzeitigen Erkennung von Veränderungen vor. Eine elementare Basis der Früherkennung stellen Forecast- und Kennzahlensysteme dar. Mit ihrer Hilfe lassen sich Abweichungen von geplanten bzw. angenommenen Entwicklungen frühzeitig erkennen. Obwohl Forecast- und Kennzahlensysteme in nahezu allen Unternehmensbereichen verbreitet sind, können vielerorts Mängel hinsichtlich ihrer Aussagekraft festgestellt werden. Häufig werden einfach zu viele unnötige Daten erhoben, die darüber hinaus selten aufeinander abgestimmt sind.
Indikatorensysteme sind ein weiterer Baustein in der Früherkennung von Chancen und Risiken. Vielen tiefgreifenden Veränderungen sind bestimmte Erscheinungen zeitlich vorgelagert. So lassen sich zukünftige Absatzschwierigkeiten durch negative Branchenberichte verschiedener Wirtschaftsforschungsinstitute vorhersehen. Da jedoch nahezu jedes Unternehmen Zugriff auf diese Indikatoren hat, läßt sich ein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil aufgrund der Auswertung von Indikatoren nicht erwarten. Die Interpretation schwacher Signale bietet im Rahmen der Früherkennung das größte Potential, Wissensvorsprünge gegenüber dem Wettbewerb zu erarbeiten. Schwache Signale stellen anfangs schlecht definierte ‘Informationsrudimente‘ dar, die sich erst im Laufe des Beobachtungsprozesses schrittweise durch weitere Signale verdichten und konkretisieren.
Charakteristisch für agile und erfolgreiche Unternehmen sind insbesondere schlanke Kennzahlensysteme sowie optimal aufeinander abgestimmte Instrumente zur Beobachtung schwacher Signale.
Im Rahmen der Früherkennung gibt es eine Reihe von einsetzbaren Instrumenten, die sich gegenseitig ergänzen und dem Unternehmen aus verschiedenen Blickwinkeln Informationen über relevante Veränderungen liefern können. Die Balanced Scorecard kann als solches Instrument auf Basis von Kennzahlen betrachtet werden. Die Balanced Scorecard integriert sowohl unternehmensinterne als auch -externe Größen zu einer Gesamtsicht. Angestrebt wird eine übersichtliche Darstellung der wichtigsten Kennzahlen aus den Bereichen Finanzen, Entwicklung, interne Prozesse und Kunden auf einem Blatt. Damit werden Unternehmen in die Lage versetzt, Fehlentwicklungen vergleichsweise schnell auszumachen und entsprechende Handlungsoptionen zu ergreifen.
Die Auslese relevanter Umfeldveränderungen aus der Vielzahl an Informationen kann mittels der Cross-Impact-Analyse erfolgen. Dabei wird die Auswirkung einer Entwicklung in einem Beobachtungsfeld auf diejenige in einem anderen bewertet. Darauf aufbauend können Szenarien entwickelt werden, die potentielle Auswirkungen einzelner Veränderungen plastisch machen. Die Geschwindigkeit der Ausbreitung neuer Erkenntnisse, Meinungen und Verhaltensweisen kann über das Diffusionskurvenkonzept ermittelt und graphisch dargelegt werden. Die Instrumente der Früherkennung von Umbrüchen und deren Auswirkungen auf das eigene Geschäft müssen ausgewogen eingesetzt werden. Ist dies der Fall, können die meisten Felder potentieller Ursachen weitreichender Veränderungen abgedeckt werden.
Der
Erfolg eines Früherkennungssystems ist maßgeblich von der Größe der
Beobachtungslücken abhängig. Um diese Lücken so gering wie möglich zu
halten, ist eine professionelle Ausgestaltung des Früherkennungssystems
auf den unterschiedlichsten Ebenen des Unternehmens notwendig. Hierzu
sind die effizientesten Methoden und Instrumente in Abhängigkeit der
Besonderheiten des Unternehmensumfeldes auszuwählen und aufeinander
abzustimmen. Wichtig ist ferner, die regelmäßige Diskussion der vom
System hervorgebrachten Ergebnisse im Unternehmen zu garantieren. Nur
dadurch werden letztendlich die Lernprozesse bei den Mitarbeitern
beschleunigt und die Fähigkeiten, sich auf neue Gegebenheiten schneller
einzustellen, gefördert.
Weiterführende Literatur zum Thema