[22.03.2013]
Die Globalisierung der Absatzmärkte und die Verschärfung des internationalen Wettbewerbs haben deutliche Auswirkungen auf das Management von Anlaufprozessen komplexer Industriegüter. Sowohl der Druck der Kunden als auch jener des Wettbewerbs erfordern von Industrieunternehmen zunehmend schneller auf Trends im Markt zu reagieren. Produktlebenszyklen verkürzen sich und Änderungsanforderungen müssen auch noch zu einem späten Zeitpunkt in den Produktentwicklungsprozess einfließen. So unterliegen heute selbst komplexeste Technologieprodukte einer Änderungshäufigkeit, wie sie vor ein paar Jahren nur aus der Modeindustrie bekannt war. Hinzu kommt der Trend zur multilokalen Produktion, der dem Anlaufmanagement abverlangt, internationale Wertschöpfungsketten auf den straffen Anlauf einzelner Produkte abzustimmen.
Durch eine Vielzahl von Projekten konnte das TCW verifizieren, dass Industrieunternehmen bei der Prognose von Gesamtanlaufkosten je nach Produkt zwischen 35 und 50 Prozent auf die geplanten Anlaufkosten für nicht kalkulierbare Kosteneffekte aufschlagen. Abgedeckt werden sollen von dieser Pauschale unvorhersehbare Faktoren wie Sonderfrachten, Lieferantenausfälle, Dringlichkeitszuschläge, Absicherungsprozesse oder Produktionsausfälle. In der Retroperspektive stellt sich jedoch zunehmend heraus, dass selbst dieser Kostenpuffer um bis zu 100% überzogen wird. Hauptursache für die äußerst hohen, ungeplanten Anlaufkosten ist die marktinduzierte Straffung von Zeitfenstern im Produktentwicklungsprozess, die nicht konsequent im Gesamtunternehmen verankert und abgesichert ist. Die Produktion nimmt hierbei die Rolle des letzten Gliedes im Produktentstehungsprozess ein, die durch erhebliche Mehrausgaben die Zeitverschiebungen im vorangegangenen Prozess abfedern muss, um den Termin des Produktionsstartes (SOP) halten zu können.
Das TCW hat eine ganzheitliche und vielfach in der Praxis erprobte Methode entwickelt, durch deren Einsatz die ungeplanten Kosten im Anlaufprozess signifikant reduziert werden können. Sie basiert auf dem Grundgedanken, alle anlaufrelevanten Prozesse stringent auf die neuen Herausforderungen im Anlaufmanagement auszurichten und Instrumente zu implementieren, durch die unerwartete Effekte schnellst möglich in einen geregelten, kostensparenden Prozess überführt werden können.
Alle Anlaufprozesse werden hierzu durchleuchtet und Potenziale zur Flexibilisierung gehoben. Neben einer Reduzierung der entstehenden Aufwände ist ein weiterer Ansatzpunkt der TCW Methode, unerwartete Ereignisse frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig abzusichern. Hierzu werden Anläufe der Vergangenheit auf unerwartete Kostentreiber analysiert und an den Herausforderungen der Zukunft gespiegelt. Frühindikatoren werden herausgearbeitet und Stresstests zur rechtzeitigen Leistungsprüfung des gesamten Anlaufsystems eingeführt.
Die TCW-Methode realisiert eine Senkung der Kosten im Anlauf durch die situationsspezifische Kombination von Einzelmethoden. Folgende mögliche Lösungsansätze werden eingeschätzt:
Basisvoraussetzung für einen kostengünstigen Produktanlauf sind klar definierte und bereichsübergreifend abgestimmte Prozesse, die eindeutig dokumentiert, kommuniziert und gelebt werden. Neben den klassischen Methoden zur Prozessbewertung und Prozessmodellierung werden deshalb auch Motivationskonzepte eingesetzt, durch die alle Mitarbeiter dazu angehalten werden, den Produktentstehungsprozess analog verbindlicher Quality-Gates einzuhalten. Zur terminlichen Absicherung von unerwarteten Verzögerungen im Produktentwicklungsprozess werden Mechanismen zur Parallelisierung, Beschleunigung, Integration und Vorverlagerung implementiert. So kann etwa die Vorkonzeption eines Parallelprozesses zur Erstellung von Absicherungswerkzeugen gewährleisten, dass bei Entwicklungsverzögerungen die Vorserienproduktion nicht in Zeitverzug gerät und zugleich der Erstellungsprozess für Serienwerkzeuge regulär bis zum Serienanlauf abgeschlossen werden kann. Im Hinblick auf die Errichtung von Fertigungsanlagen sind sowohl eine vorverlagerte Beauftragung von Standardbetriebsmitteln als auch die Anpassung produktspezifischer Komponenten in gebündelter Form zu prüfen. Zur Vermeidung von Lieferantenausfällen im Anlaufprozess setzt das TCW auf eine fundierte Vorabqualifizierung der Lieferanten und deren Leistungsprüfung durch Stresstests. Das Lieferantemanagement sollte dabei nicht nur die erste Ebene betrachten, sondern auch die entsprechenden Sublieferanten mit einbeziehen. Erfahrungen zeigen nämlich auf, dass anlaufrelevante Probleme in der Lieferkette oft bei Tier 2 und Tier 3 Unternehmen auftreten. Unter Stresstests sind hierbei Leistungsprüfungen zu verstehen, bei denen unter Realbedingen sowohl die Lieferketten als auch die eigene Produktion auf ihre Leistungsfähigkeit unter Taktzeit geprüft werden. Diese vorverlagerte Prüfung erlaubt eine rechtzeitige Adjustierung der logistischen Feinplanung vor dem realen Produktionsbeginn. Dringlichkeitszuschläge und Sonderfrachten können so weitestgehend vermieden werden. Zur Kosteneinschränkung von späten Produktänderungen empfiehlt sich die Einhaltung von Änderungsfenstern, zu denen Änderungen gebündelt in die Vorserienproduktion einfließen und gemeinsam an die Lieferanten kommuniziert werden. Als steuernde Instanz setzt das TCW auf die Institutionalisierung eines zentral agierenden Anlaufmanagements, bei dem alle Informationen nahezu in Echtzeit zusammenfließen. Nur hierdurch können Abweichungen vom Soll-Prozess frühzeitig erkannt, Folgen prognostiziert und Lösungsansätze schnellst möglich implementiert werden.