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Wachstum durch Modularisierung und Standardisierung von Produkten und Prozessen

[13.04.2015]

Foto: alotofpeople - fotolia.com
Das Angebot für logistische Fördermittel lässt sich auf dem europäischen Markt als sehr homogen beschreiben. Produktinnovationen sind selten, Differenzierungsmöglichkeiten der Wettbewerber weitestgehend ausgeschöpft. Dennoch ist es ein schnell wachsender Markt mit hohem Marktpotenzial. Wird anhand der Kundenanforderungen - wie richtiger Preis und kurze Lieferzeit - das „richtige Produkt“ entwickelt, kann dies den entscheidenden Vorteil liefern. Doch wie sieht das „richtige Produkt“ für diesen Markt aus? Am Beispiel eines Unternehmens der Intralogistik-Branche soll gezeigt werden, wie die Standardisierung und Modularisierung von Produkten und Prozessen das Wachstum fördern kann.

Wachstum durch Modularisierung

Ein Unternehmen der Intralogistik-Branche hat die Chance einer frühzeitigen Antwort auf diese Frage erkannt. Gemeinsam mit TCW wurde die Produktplattform überarbeitet, um mit neuen, modularen und standardisierten Produkten die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit des Unternehmens maßgeblich zu fördern. Durch einen ganzheitlichen Optimierungsansatz, der nicht nur das Produkt, sondern auch die Abwicklungs- und Produktionsprozesse sowie Organisation beinhaltete, konnte dieses Ziel erreicht werden.

Auftraggeber des Projekts war ein weltweit führender Spezialist für Schlüsselprodukte und Lösungen im Bereich der Intralogistik, im speziellen Fall für Rollen- und Gurtförderer. Für die kommenden Jahre hat sich das Unternehmen ehrgeizige Wachstumsziele gesetzt. Den Wachstumszielen standen jedoch eine fehlende Plattform- und Modularisierungsstrategie entgegen. Das Unternehmen zeichnete sich bislang durch gewachsene, unflexible Strukturen sowie komplexe, abwicklungsintensive Produkte aus. Die dadurch entstandene hohe Komplexität erschwerte eine schnelle Bearbeitung von Kundenaufträgen und führte zu Mehrkosten, Prozessineffizienzen sowie erhöhten Durchlaufzeiten.

Um den Zielen des Unternehmens gerecht zu werden, musste die Unternehmensleistung optimiert werden. Dies schloss eine Optimierung der Aufbau- und Ablauforganisation aller wertschöpfenden sowie administrativen Bereiche des Unternehmens ein. Um das Gesamtziel, die Entwicklung einer neuen, standardisierten und modularen Produktplattform sowie einer Halbierung der Lieferzeit, zu erreichen, enthielt das Projekt folgende Teilziele:

  1. Identifikation und Integration von Markt- und Kundenanforderungen in das neue Plattformkonzept,
  2. Reduzierung der Komplexität des Produktportfolios sowie Steigerung der Gleichteile und des Standardisierungsgrads durch ein Re-Design,
  3. Optimierung der Vertriebs- und Abwicklungsprozesse zur Reduktion der Durchlaufzeiten,
  4. Re-Organisation der Produktion und Optimierung des Materialflussprinzips sowie
  5. Schnelle Umsetzung der Ergebnisse und Einführung der Produktplattform

1. Identifikation und Integration von Markt- und Kundenanforderungen

Um die Markt- und Kundenanforderungen in das Plattformredesign einzubeziehen, wurde in diesem Projekt eine Online-Befragung von insgesamt 2100 aktiven und potenziellen Kunden durchgeführt. Dabei war ein Teil der Befragung eine Adaptive Conjoint Analyse (ACA). Durch ein statistisches Verfahren wurden sowohl die Präferenzen der Kunden in Bezug auf bestimme funktionale Produkteigenschaften gemessen als auch hinsichtlich Ihrer Relevanz in Reihenfolge gebracht. Das Ergebnis der Kundenpräferenzordnung konnte anschließend an das Produktmanagement sowie an das R&D übergeben werden. Es diente als Leitlinie bei der Konzeptentwicklung der neuen Plattform. Zudem war es möglich aus den Antwortverhalten der Probanden Argumentenbilanzen für den Vertrieb abzuleiten. Diese können in Anbahnungsphasen oder Verhandlungen mit Kunden als Argumentationshilfe für das eigene Produkt herangezogen werden.

2. Reduzierung der Komplexität und Steigerung der Gleichteile und des Standardisierungsgrads

Die grundlegenden funktionalen Ansprüche an die neue Produktplattform waren aufgrund der Homogenität des Marktangebots für Rollen- und Gurtförderer in diesem Fall bekannt. Ergänzende Informationen zur funktionalen Erweiterung wurden durch die Kundenpräferenzanalyse geliefert. Die technische Umsetzung der Funktionalität hingegen musste hinterfragt werden, um sicherzustellen, dass die neue Plattform eine geringere Komplexität und Abwicklungsintensität aufweist als die alte. Leitlinien der Modularität und Standardisierung standen dabei im Vordergrund der Analyse und des Re-Designs.

Um das interne Know-how zu Erweitern und neue Ideen in das Unternehmen einzubringen, wurde in diesem Projekt eine Produktklinik durchgeführt. Dabei wurden die eigenen sowie Produkte der größten Wettbewerber im Markt systematisch demontiert und analysiert sowie hinsichtlich ihrer technischen Funktionserfüllung verglichen und kostentechnisch bewertet. Viele Ideen konnten für die Neuentwicklung der Plattform adaptiert, verbessert sowie mit eigenen Lösungsansätzen kombiniert werden. Durch die Kostenanalyse der Fremdprodukte konnte zudem eine Zielkostenspanne definiert werden, die bei der laufenden Entwicklung immer im Auge behalten wurde, um die beabsichtigte Produktpositionierung im Markt sicherstellen zu können.

3. Optimierung der Vertriebs- und Abwicklungsprozesse

In den Projektzielen war klar formuliert, dass eine überarbeitete Produktplattform alleine nicht den gewünschten Wachstumseffekt des Unternehmens erzielen würde. Denn neben der Funktionalität und des Preises zeichnet sich die Lieferzeit in den letzten Jahren immer mehr als entscheidender Erfolgsfaktor ab. Eine schnelle und fehlerfreie Angebots- und Auftragsbearbeitung ist daher maßgeblich für den Erfolg der neuen Plattform. Um dem Problem der gewachsenen und starren Strukturen der Ablauforganisation Herr zu werden, wurde in diesem Projekt mit einer detaillierten Aufnahme der Prozesse begonnen. Sie wurden in Form von Schnittstellendiagrammen in Kombination mit Bearbeitungszeit- und Durchlaufzeitanalysen und anhand von Laufzetteln dargestellt.

Anhand der Analyseergebnisse konnten die Prozessschwachstellen (z.B. Schleifen, Liegezeiten, Doppelarbeit) identifiziert und die Ablauforganisation strukturiert optimiert werden. Dokumentiert wurden die neuen Prozesse anhand von Ereignisgesteuerter Prozessketten (EPK), die gleichzeitig auch als Basis für die Abbildung der Business Prozesse im ERP des Unternehmens dienten. Aufgrund der herausfordernden Lieferzeitvorgaben wurden bei der Re-Organisation der Ablauforganisation zudem zwischen dem Vertrieb und der Abwicklung von reinen Standardprodukten und Sonderlösungen unterschieden. Das Ziel war es dadurch zu vermeiden, dass bei einfachen Projekten unnötige Kapazitäten gebunden und wertvolle Zeit verschwendet werden.

4. Re-Organisation der Produktion und Optimierung des Materialflussprinzips

Auch die Supply Chain musste vollständig neu aufgesetzt werden, um die geforderten Lieferzeiten sowie die Zielkosten der neuen Plattform halten zu können. Im Bereich des Einkaufs konzentrierten sich die Aktivitäten auf strategische sowie taktisch-operative Maßnahmen zur kosten- und zeitoptimalen Ausgestaltung der Supply Chain. Dabei wurden aktuelle und zukünftig geplante Kapazitäten berücksichtigt. Eine Make-or-Buy Analyse stellte dabei eine maßgebende Basis für die zu treffende Entscheidung dar. In Lieferantenworkshops wurden strategische Komponenten neu verhandelt und Bedingungen für die gemeinsame Zusammenarbeit erarbeitet. In der Produktion wurden zum einen neue Maschinen angeschafft, um die Langläuferkomponenten zukünftig intern fertigen zu können und damit Zeit zu sparen und neue Kompetenzen aufzubauen. Zum anderen wurde die Montage der Plattform von Grund auf unter Berücksichtigung von Lean Prinzipien neu konzeptioniert und aufgebaut.

Im Ergebnis wurden produktspezifische Montageboxen errichtet, deren Montagevorrichtung und Montagehilfen exakt auf die Bedürfnisse des Produkts abgestimmt wurden. Die Standardkomponenten der Produkte wurden komplett in selbststeuernde KANBAN Regelkreise integriert und an den Montageboxen in KANBAN Regalen zur Verfügung gestellt. Weiterhin wurden Milk-Run Routenzüge aufgebaut, welche die neuen Montageboxen mit Materialien beliefern.

5. Schnelle Umsetzung der Ergebnisse und Ausrollen der Produktplattform

Bei Neuentwicklungen ist die Time-to-market für den wirtschaftlichen Erfolg eines Projekts entscheidend. Je schneller das Produkt am Markt ist, desto länger kann man die Differenzierungsvorteile seines Produktes an den Mann bringen, bis die Konkurrenz durch Erweiterungen der eigenen Produktpallette nachzieht. Eine schnelle Umsetzung der erarbeiteten Konzepte war somit ein wichtiger Erfolgsfaktor in diesem Projekt.

Es wurde daher eine meilensteinbasierte organisations- und funktionsübergreifende Roll-Out Strategie für die neue Produktplattform entwickelt, welche für die weitere Planung des Projekts maßgeblich war. Sämtliche Arbeitspakete orientierten sich hierbei an den gesetzten Meilensteinen. Neben der Planung war die Hauptaufgabe des Projektteams die Kontroll- und Reporting-Funktion wahrzunehmen. Das Ziel war es, projektweit und organisationsübergreifend Transparenz über den Status des Implementierungsvorhabens der neuen Produktplattform zu schaffen. Darüber hinaus galt es, ein Schulungskonzept zu erarbeiten, um die Mitarbeiter an den Standorten weltweit vor dem Marktstart mit den neuen Produkten, deren Vorteilen sowie mit dem neuen Abwicklungsprozess vertraut zu machen.

Kernergebnisse des Projekts

Mit der erfolgreichen Einführung der neuen Produktplattform konnten folgende Verbesserungen bei dem Unternehmen erreicht werden:

  • Durchschnittliche Kostensenkung im zweistelligen Prozentbereich im Vergleich zu den alten Produkten,
  • Reduzierung der Durchlaufzeiten um 50% in Montage-, Angebots- und Auftragsabwicklungsprozessen,
  • Reduzierung der Kapitalbindungskosten um 17% aufgrund einer Pull-orientierten Fertigung und Montage,
  • Steigerung der Kundenzufriedenheit durch Berücksichtigung der Kundenpräferenzen bei der Produktentwicklung.

Beratungsprodukte

Publikationen

  • Produktklinik
    Wertgestaltung von Produkten und Prozessen: Methoden und Fallbeispiele
  • Produktklinik
    Leitfaden zur Steigerung der Lerngeschwindigkeit und Produktkostensenkung
  • Variantenmanagement
    Leitfaden zur Komplexitätsreduzierung, Komplexitätsbeherrschung und Komplexitätsvermeidung
  • Conjoint Analyse
    Leitfaden zur kundenwertorientierten Produktentwicklung mittels Conjoint Analysen

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