[27.11.2023]
Manager stehen vor der Herausforderung, in einer unsicheren Weltwirtschaft nachhaltig zu agieren. In seinem Artikel betont Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Horst Wildemann die neuen Aufgaben und Leitlinien für moderne Manager in einer instabilen Weltwirtschaft. Schlüsselstrategien sind Resilienz, ein ganzheitliches Zielsystem, effektive Kollaboration, der Einsatz von KI und eine flexible Führung. Diese Elemente sind entscheidend, um auf Klimawandel, Digitalisierung und wirtschaftliche Schwankungen reagieren zu können.
In einer Welt, in der algebraische Formeln versagen und Ursache-Wirkungsbeziehungen nicht mehr analytisch abgeleitet werden können, stoßen herkömmliche Managementkonzepte an ihre Grenzen. Die industrielle Wertschöpfung steht vor einer dringenden Neuausrichtung. Nichtlinearität ist das neue Normal, und Manager müssen sich darauf einstellen. Längerfristige Trends wie der Klimawandel und die Digitalisierung treten gebündelt auf und verstärken sich gegenseitig. Hinzu kommen exorbitante Preissteigerungen bei den Gas- und den Strompreisen. Die Inflationsrate erreicht lange nicht gekannte Höhen.
Die Folge: Das System Weltwirtschaft wird instabil. Ja, es werden in kurzer Zeit nahezu Schockwellen ausgelöst. Die Unsicherheit nimmt zu. Es zeichnet sich ab: Russland hält unsere Energiekosten nicht mehr niedrig. Die USA zahlen nicht mehr für unsere Sicherheit, mit der Folge einer hohen Verschuldung des Staates. China ermöglicht den Unternehmen keine höheren Margen mehr. Und die Inflation lässt die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter auseinandergehen. Weitere Folge ist ein Vertrauensverlust in die Institutionen und in die Einhaltung von Verträgen. Deshalb wollen wir uns der Frage zuwenden: „Wie kann ein Unternehmen unter solchen Umständen gemanagt werden, um eine nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten?“
Für die Logistik ergeben sich daraus folgende Handlungsfelder:
Handlungsfeld 1: Resilienz
Das Zauberwort heißt Resilienz. Es geht nicht nur darum, Stürme zu überstehen, sondern auch darum, aus ihnen gestärkt hervorzugehen und ausweichen zu können. Resilienz bedeutet Robustheit, Flexibilität, Regenerationsfähigkeit und vor allem Lern- und Anpassungsfähigkeit. In einer Welt, die sich ständig verändert, ist Resilienz der Schlüssel zur langfristigen Überlebensfähigkeit. Resilienz ist nicht nur eine Ergänzung zum Strategieprozess, sondern eine andere Perspektive der Planung.
Handlungsfeld 2: Das neue Zielsystem
Die Zeiten, in denen eine "License to Operate" ausreichte, sind vorbei. Jetzt sind "License to Grow" und "License to Lead" entscheidend. Die "License to Grow" fokussiert auf soziale, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit. "License to Lead" hingegen transformiert Unternehmen in gesellschaftliche Gestalter, die Debatten anstoßen und Lösungen bieten. Sie sind die Währung der neuen Geschäftswelt.
Handlungsfeld 3: Kollaboration
Die Kunst besteht darin, einerseits eng mit Ökosystemen zu kollaborieren und andererseits schädliche Einflüsse zu entkoppeln. Man ist nur gemeinsam stark, aber Autarkie in bestimmten Bereichen ist unerlässlich. Das ist Resilienz durch Vernetzung und Zusammenarbeit. Die richtige Balance zu finden, ist eine Kunst, die Manager beherrschen müssen. Es ist ein Balanceakt zwischen globaler Reichweite und lokaler Relevanz.
Handlungsfeld 4: Künstliche Intelligenz
KI ist die beste verfügbare Antwort auf Nichtlinearität und Komplexität. Sie ermöglicht es etwa, schwache Signale im Risikomanagement der Lieferkette zu erkennen und verborgene Potenziale in einem Meer aus unstrukturierten ERP-Daten zu finden. Muster können erkannt werden, wo das menschliche Auge überfordert wäre. KI ist nicht nur ein Werkzeug, sondern ein strategischer Partner, der die Entscheidungsfindung revolutioniert.
Handlungsfeld 5: Führung
Die größte Herausforderung für die Zukunft liegt nicht nur in technologischen Fertigkeiten. Neue Führungsprinzipien sind erforderlich, denn Entscheidungen werden mit weniger Information und in verteilter Form getroffen. Menschen müssen anders geführt werden. Mit Resilienz als Grundprinzip und KI als Werkzeug können wir eine industrielle Wertschöpfung schaffen, die nicht nur effizient, sondern auch nachhaltig und menschenzentriert ist.
Es ist ein Paradox: Wenn Unsicherheit sich ausbreitet, wächst das Bedürfnis nach Leitung, Orientierung und Halt. Aber jeder Manager, der vorgibt zu wissen, wohin die Reise geht, trifft auf Vorbehalte. Um diese abzubauen, ist Kommunikation erforderlich, denn Kommunikation schafft Transparenz und Sicherheit. Kommunikation wird somit zum Führungskonzept. Manager müssen lernen, in einer Welt der Unsicherheit zu navigieren und dabei sowohl technologische als auch menschliche Aspekte zu berücksichtigen. Sie müssen sich auf eine neue Ära der Führung einstellen, die Empathie, Agilität und Vertrauen erfordert. In Krisenzeiten gilt: Ausprobieren, Fehler machen, sich ständig anpassen. Willensstärke und Resilienz sind hierfür unabdingbar. In Zukunft werden wir mit Grauschattierungen konfrontiert, – es gibt kein Schwarz oder Weiß. Hier helfen nur ein moralischer Kompass und der Wille, notwendige Entscheidungen auch umzusetzen. Denn ein „Weiter so“ ist keine Option. Die Zukunft ist kein Selbstläufer, sondern das, was wir aus ihr machen. Mit den drei Schlagworten Mutig – Zusammen – Besser möchte ich meinen Beitrag zusammenfassen.
Prof. Dr. Dr. h. c. mult Horst Wildemann ist Professor an der TU München und leitet die Unternehmensberatung TCW. Am 5. und 6. März 2024 veranstaltet er zum 31. Mal das Münchner Management Kolloquium mit über 80 Referierenden aus führenden Unternehmen