[02.08.2010]
110 Tage dauerte die Regentschaft von Napoleon Bonaparte als er am 1. März 1815 von seinem Exil auf der Insel Elba nach Frankreich zurückkehrte. Beendet wurde diese am 18. Juni 1815 durch die Schlacht bei Waterloo. Seitdem steht diese „Herrschaft der hundert Tage“ als Synonym für eine Schonfrist, die jedem neuen Amtsinhaber in Wirtschaft oder Politik gewährt wird, bevor er maßgebliche Entscheidungen zu treffen hat.
Die wirtschaftlichen Zusammenhänge in den heutigen Unternehmen sind derart komplex, dass es einem Manager nicht mehr möglich ist, innerhalb von wenigen Tagen die Situation fundiert zu beurteilen. Er benötigt einen zeitlichen Vorlauf, um die entsprechende Datenbasis für die Entscheidungen in Erfahrung zu bringen. Napoleon hatte die 100 Tage nicht genutzt, um sich einen fundierten Überblick über Volk, Nation und deren Feinde und Freunde mit deren neuen Konstellationen zu verschaffen, sondern führte innerhalb kürzester Zeit Feldzüge gegen die neu gestärkte Allianz von Österreich, Russland, Großbritannien und Preußen mit bekanntem Ergebnis.
Die neuen Amtsinhaber sollen somit diese hundert Tage nutzen, um sich mit den Aufgaben und Prozessen in Ihren Unternehmen vertraut zu machen bevor sie wesentliche unternehmerische Entscheidungen treffen. Traditionell wird das erste Resümee über die neuen Manager vom Aufsichtsrat, Vorstand und von den Mitarbeitern und Kunden nach Ende dieser Schonfrist gezogen.
Doch wie sind diese hundert Tage sinnvoll und effizient zu nutzen? Hierfür wurde vom TCW ein Programm entwickelt, das den Entscheidungsträgern Hilfestellung für die ersten 100 Tage im Amt an die Hand gibt.
Die ersten 10 Tage sind geprägt durch die Beschreibung der Ist-Situation des Unternehmens oder Bereichs. Hierzu zählen die betriebswirtschaftliche Bewertung des Unternehmens und die Ermittlung der Chancen und Risiken, die Festlegung der Führungsgrößen sowie die Ableitung von Ansatzpunkten für Sofortmaßnahmen. Die Sofortmaßnahmen sind von besonderer Bedeutung. Mit diesen zeigt der Manager, dass er in der Lage ist, die „einfachen“ Missstände im Unternehmen sofort zu erkennen und auf Basis seines Erfahrungsschatzes erste Aktionen als Sofortmaßnahmen zur Beseitigung von Verschwendungen und Blindleistungen zu ergreifen.
Neben der Analyse der Aufbau- und Ablauforganisation stehen vor allem die Analysen zum Produktprogramm im Vordergrund. Basis für diese Analysen ist die Tatsache, dass im Fokus aller wirtschaftlichen Aktivitäten der Kunde steht. Mit dem Erwerb der Produkte und Dienstleistungen gibt der Kunde dem Unternehmen seine Daseinsberechtigung. Deswegen hat im ersten Schritt der neue Unternehmenslenker sein Augenmerk auf die Befriedigung der Kundenbedürfnisse und deren wirtschaftliches Ergebnis zu legen. Das Produktportfolio ist auch vor dem Hintergrund der Wettbewerbsprodukte zu betrachten. Hierfür hat sich das Euklidische Distanzmaß als hilfreich erwiesen.
Im nächsten Schritt hat sich der neue Manager einen Überblick über die Ressourcenverwendung im Unternehmen zu verschaffen. Hierzu zählen Analysen zum Bestands-, Umlauf- und Anlagevermögen. Ziel ist die Identifikation von Optimierungsoptionen für das Assetmanagement für eine mögliche Kapitalumschichtung.
Ab dem 70. Tag werden die Erkenntnisse zu den einzelnen Fachbereichen, der Aufbau- und Ablauforganisation und zu den Produkten und der Produktion gebündelt und in einen Umsetzungsplan überführt. Ab dem 80. Tag werden die einzelnen Maßnahmen gestartet und in ein Umsetzungscontrolling überführt.
Die Analyse der Ist-Situation, die Ausarbeitung der Verbesserungsmaßnahmen und die Umsetzung der Maßnahmen erfolgt stets in engster Zusammenarbeit mit den jeweiligen Abteilungsverantwortlichen und ausgesuchten Erfahrungsträgern aus den unterschiedlichsten Fachbereichen. Diese werden in dem 100-Tage-Programm organisiert und zielgerichtet durch die Analysen und Erkenntnisprozesse geführt. Gepaart werden diese Analysen mit Benchmark-Daten von vergleichbaren Unternehmen auf Prozessebene.
Der Nutzen dieses 100-Tage-Programms ist für die jeweiligen Manager von grundlegender Bedeutung. Entlastet durch das TCW, von den Analyse- und Koordinationsaufgaben in den ersten Schritten ihrer neuen Amtszeit, können sie sich auf ihre Mitarbeiter und das Beziehungsgeflecht zu Vorstand, Aufsichtsrat und Kapitaleigner konzentrieren. Das hilft ihnen, einen Überblick zu gewinnen und zu bewahren. Aufbauend auf den Analyseergebnissen und den daraus abgeleiteten Handlungsszenarien sind sie in der Lage, in kürzester Zeit sich sowohl thematisch als auch persönlich in das Unternehmensgeflecht einzubringen.
Nachdem der Einkaufsleiter eines Unternehmensteils eines weltweit agierenden Elektronikkonzerns nach über 20 Jahren in den Ruhestand entlassen wurde, wurde die Position mit einem Mann besetzt, der seit über 11 Jahren als Einkäufer für einen Mittelständler tätig war. Das Beschaffungsvolumen stieg für ihn von 180 Mio. Euro auf über 620 Mio. Euro und die Anzahl der Mitarbeiter von 11 auf 89. Das TCW wurde beauftragt, die ersten 100 Tage dieses Managers zu unterstützen und einen Aktionsplan für den Einkaufsbereich auszuarbeiten.
Begonnen wurde mit der Durchführung eines Best-Practice-Checks im Einkauf. Ziel war es, durch die externe Expertise des TCW, Stärken und Schwächen in dem Einkaufsbereich zu ermitteln und ein Chancen und Risiken Profil zu erarbeiten. Auf Basis dieses Checks wurde ein unternehmensspezifischer Vorgehensplan erarbeitet, der die zu bedienenden Hebel einschließlich ihrer Potenzialwirksamkeit beinhaltete. Die Auditierung erfolgte gemeinsam durch Mitarbeiter des TCW und des Einkaufsbereichs.
Zunächst wurden die bereits vorhandenen Vorarbeiten im Einkauf in Form eines Fragebogens aufgenommen und im Rahmen eines Scoring-Modells bewertet. Die Analyse umfasste die Sichtung von bestehenden Strategien, die Erarbeitung eines Daten- und Prozessmodells sowie eine umfangreiche Analyse zur Ableitung eines Stärken-Schwächen-Profils des Einkaufs. Ziel war es, bestehende Defizite zu identifizieren, Kosten- und Qualitätspotenziale abzuschätzen und Handlungsszenarien zu erarbeiten.
Diese Analyseergebnisse wurden gepaart mit Benchmarking-Vergleichen. Zusätzlich zu den Preis- und Wertanalyse gelang es hiermit, neben der Produkt- und Kostenorientierung, auch Aussagen zu der Einkaufsorganisation, der Einkaufsprozesse sowie des Methodeneinsatzes in der Beschaffung zu erhalten. Die Ziele des Benchmarkings liegen in der Beurteilung der eigenen Leistungsfähigkeit und dem Erkennen von Unterschieden bei relevanten Faktoren. Durch die identifizierten Leistungslücken konnten neue Lösungsmöglichkeiten gefunden werden. Anspruchsvolle Leistungsziele konnten auf Basis des Best-Practice formuliert und bestehende Schwachstellen der Beschaffung identifiziert und Optimierungsmöglichkeiten ermittelt werden.
Die Ergebnisse der Analysen wurden zu Handlungsszenarien als Entscheidungsgrundlage für den neuen Einkaufsleiter zusammengefasst. Diese umfassten die klare Beschreibung der Ausgangssituation, die sich nach den 20 Jahren des Vorgängers bot, die Leistungslücken mit deren Potenzialen und die notwendigen Handlungsfelder, die bereits in einen möglichen Umsetzungsplan überführt wurden. Durch die gemeinsame Ausarbeitung der Handlungsfelder mit den Mitarbeitern des Unternehmens und des TCW konnte auch eine kurzfristige Umsetzung der Themen ermöglicht werden. Diskussionen über Vor- und Nachteile der notwendigen Aktionen wurden bereits im Vorfeld durchgeführt, so dass es sich bei der Entscheidungsvorlage um ein konsensfähiges Konzept gehandelt hat.
Die betriebswirtschaftlichen Effekte waren für alle Beteiligten im Unternehmen überraschend. Eine Reduzierung des indizierten Einkaufsvolumens von 4,8% bei gleichbleibender Qualität, eine Beschleunigung der Einkaufsprozesse um 27,1% und eine Reduzierung der Einkaufskosten um 18,3% waren für den neuen Amtsinhaber äußerst positiv und ermöglichten ihm einen guten Start in das neue Unternehmen.
Das mittelständische Unternehmen im Anlagenbau mit einem Jahresumsatz von 270 Mio. Euro hatte bereits eine Reihe von Geschäftsführern in den vergangen Jahren erlebt. Die durchschnittliche Verweildauer der Manager schwankte zwischen 4 Monaten und 2 Jahren. Dies war oftmals das Ergebnis der heftigen Diskussionen der Manager mit den Eigentümern des Unternehmens. Die Familie konnte sich mit den Entscheidungen und den Verhaltensweisen der Geschäftsführer oftmals nicht anfreunden. Diese, durch die häufigen Wechsel verursachte Orientierungslosigkeit, führte sowohl bei den Mitarbeitern als auch bei den Kunden zu Missmut. Das TCW wurde daraufhin von den Eigentümern beauftragt, für den neuen CEO einen 100-Tage-Plan zu entwerfen und ihn bei diesen 100-Tagen zu begleiten.
Das TCW hat daraufhin einen 10-Punkte-Plan mit folgenden Inhalten entwickelt:
Maßgeblich für den Erfolg des 100-Tage-Programms für den neuen CEO war die Versachlichung der Themen im Unternehmen. Emotional behaftete Themen wie die Kundenansprache, die Produktgestaltung sowie die Mitarbeiter- und Führungsstruktur wurden mit eindeutigen Kennzahlen belegt und anhand von Benchmark-Daten diskussionsfähig gemacht.
Besonderes Augenmerk galt in diesem Zusammenhang den Innovationen im Unternehmen. Sie waren der Herzschlag des Unternehmens und verantwortlich für den mittel- und langfristigen Unternehmenserfolg. Die Mitarbeiter im Forschungs- und Entwicklungsbereich waren intelligente Übersetzer der Kundenanforderungen in Produkteigenschaften. Anhand eines Innovations-Checks wurden die Leistungen der Entwickler mit den Kundenanforderungen abgeglichen und die Chancen von neuen oder modifizierten Produktmerkmalen mit den Vorstellungen der Eigentümer in Einklang gebracht. Immerhin wurden im F&E-Bereich über 74 % der Herstellkosten der Produkte bestimmt.
Durch diese Vorgehensweise im F&E-Bereich gelang es, durch die zielgerichtete Diskussion mit den Shareholdern einen nachhaltigen Beitrag sowohl zur Wertsteigerung des Unternehmens als auch zur Senkung der Herstellkosten zu leisten und damit die Wettbewerbsposition zu stärken.
Besonders hilfreich war auch die Methode des Prozessbenchmarkings. Sie diente der Verbesserung der Prozessqualität und der Identifikation von Verschwendung und Blindleistung innerhalb der Geschäftsprozesse. Besonders die Vertriebsprozesse bedurften einer genaueren Überprüfung. Die zahlreichen Richtungswechsel in den vergangen Jahren haben hier ihre Spuren hinterlassen. Die Überprüfung erfolgte anhand eines strukturierten Vergleichs mit Best-in-Class-Prozessen von Wettbewerbern oder branchenfremden Unternehmen. Auf Basis der Prozessmodelle wurden vergleichbare Prozesse bzw. Prozessabschnitte separiert und auf Basis von Kennzahlen und klar definierten Messpunkten gegenübergestellt. Wesentlich für den Erfolg war, dass sich das Benchmarking nicht an den Gegebenheiten der Organisation orientiert hatte, sondern als Ausgangspunkt die Kundenanforderungen verwendete. Zudem waren eindeutige Indikatoren zur Leistungsmessung und für die Vergleichbarkeit der Prozesse erforderlich.
Die Prozesse wurden nicht am grünen Tisch verglichen und optimiert, sondern maßgeblich mit den Mitarbeitern, die diese Prozesse tagtäglich leben, analysiert und verbessert. Dies gab dem neuen CEO die Möglichkeit, sein durch seine vorherigen Tätigkeiten gewonnenes Wissen mit dem spezifischen Wissen der Mitarbeiter vor Ort anzureichern und zusammen mit den Eigentümern von Anfang an eine einheitliche Sprache zu sprechen.
Die Ergebnisse der Analysen und der einzelnen Benchmarking-Vergleiche wurden zu Handlungsszenarien als Entscheidungsgrundlage für die Beiratssitzungen zusammengefasst, die vom neuen CEO präsentiert wurden. Diese umfassten die klare Beschreibung der Ausgangssituation, die sich nach zahlreichen vorherigen Geschäftsführern bot, die Leistungslücken mit deren Potenzialen und die notwendigen Handlungsfelder, die bereits in einen möglichen Umsetzungsplan überführt wurden. Diese umfassten auch die ausgearbeiteten Sofortmaßnahmen, die erst nach der Diskussion im Beirat gestartet wurden. Durch die gemeinsame Ausarbeitung der Handlungsfelder mit den Mitarbeitern des Unternehmens und des TCW konnte auch hier eine kurzfristige Umsetzung der Themen ermöglicht werden. Diskussionen über die Vor- und Nachteile der notwendigen Aktionen wurden bereits im Vorfeld durchgeführt, so dass es sich bei der Entscheidungsvorlage bereits um ein konsensfähiges Konzept gehandelt hat.
Die betriebswirtschaftlichen Effekte waren für das Unternehmen maßgeblich wettbewerbsrelevant. Die Herstellkosten konnten um 17% und die Kosten für Organisation und Verwaltung um 14% reduziert werden. Die eingeleiteten Produkt- und Vertriebsmaßnahmen konnten den Umsatz im weiteren Verlauf um 27% steigern. Für den neuen CEO waren diese Ergebnisse vor dem Hintergrund der Rückendeckung durch den Beirat äußerst positiv und ermöglichten ihm einen guten Start in das neue Unternehmen.