[03.05.2000]
Unternehmen vollziehen den Wandel von der produkt- zur serviceorientierten Organisation nur schwer. Dabei gilt es, aus einer Angebots-, Unternehmens- und Potentialanalyse kurzfristige Aktionen und mittel- sowie langfristige Ziele abzuleiten. Die Produktanalyse untersucht Produkt/Leistung, die Marktsegmente, die Kunden sowie die Vertriebswege. Die Unternehmensanalyse hinterfragt die Stärken und Schwächen, nimmt eine Wettbewerbsdifferenzierung vor und zeigt erste Defizite auf. Die Defizite liegen zumeist im fehlenden Bewußtsein, dass Service eine aktive Marktleistung darstellt, und in der Unterschätzung der Imagewirkung des Service als Differenzierungsmerkmal zum Wettbewerber. Kostenerhebung und Kontrolle scheinen für den Servicebereich meist obsolet zu sein. Service als strategischer Erfolgsfaktor wird verkannt, ebenso dass Serviceangebot eine Führungsaufgabe darstellt. Hierauf setzt das Service-Konzept auf. Das innovative Service-Konzept beleuchtet die Wertschöpfungskette neu und richtet die Geschäftsprozesse auf die neue Servicestrategie aus. Es beinhaltet die strategische Orientierung, die organisatorische Gestaltung und die Methodenbausteine. Bei der Firma Bosch-Elektrowerkzeuge wurden diese Defizite erkannt und gehandelt. Matthias Knofe, Verkaufsleiter Bosch-Elektrowerkzeuge: ‘Für uns hat das Thema Service grundlegende Bedeutung und ist kein Marketing-Gimmick. Man darf die Bedeutung von Kundendienst und Service für die Kaufentscheidung keinesfalls unterschätzen. Ein umfassender Service ist genauso wichtig wie ein qualitativ hochwertiges Produkt.‘ Das Service-Konzept der Robert Bosch GmbH garantiert seit Juni 1998 die Reparatur eines defekten Elektrowerkzeuges innerhalb von fünf Arbeitstagen. Sollte die Reparatur länger dauern, kostet sie den Kunden keinen Pfennig.
Service ist zuvorkommendes Handeln in der Absicht, das dem Kunden das Leben angenehmer, aufwands- und kostengünstiger zu gestalten. Für Unternehmen wird es zunehmend eine Chance sein, durch kundenspezifische Serviceleistungen die Beziehung zu den Kunden langfristig zu stabilisieren und den geschäftlichen Erfolg, das Wachstum und den Unternehmenswert zu sichern. Kundenabwanderungen können die Gewinne weit mehr beeinflussen als Faktoren wie der Marktanteil oder die Stückkosten. Kostensenkungsstrategien bewirken einen Zeitgewinn durch kurzfristige Kostenreduzierung - allerdings nur eine kurzfristige Ergebnisverbesserung - und sind keine Garantie für einen langfristigen Erfolg. Ebenso wenig eignen sich Personalfreisetzungen, um langfristig die Rentabilität zu verbessern. Wirtschaftlich weit mehr rentabler ist es, in die Kundenbindung durch Serviceleistungen zu investieren. Als Wachstumsstrategie steht die Strategie der Kundenbindung im Mittelpunkt der Unternehmen. Sie ist typisch für gesättigte Märkte, wobei der Erfolgsmaßstab die Kundentreuerate ist. Je länger ein Unternehmen einen Kunden hält, desto mehr Geld kann es durch ihn verdienen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass hohe und dauerhafte Kundenloyalität - die abhängig ist von der Kundenzufriedenheit - Produkte und Dienstleistungen erfordert, die sich an unbewußten Ansprüchen der Kunden orientieren und zum Teil zusammen mit den Kunden entwickelt werden.
Die Servicestrategie gilt es durch eine geeignete organisatorische Implementierung und operative Umsetzung zu festigen. Folgt man dem Benchmarking im Servicebereich, so ist dieser Sektor vorwiegend im Geschäftsbereich/Profitcenter oder aber als Hauptabteilung im Vorstandsbereich Technik angesiedelt. Neben der organisatorischen Einbindung als Profitcenter ist der Servicebereich auch als Costcenter gestaltbar. Betrachtet man die interne Organisation des Service, so reicht die Struktur über die Bereiche Ersatzteile, Projekte und Monteure bis hin zum technischen Kundendienst und Technik-Support. Die Individualität der angebotenen Serviceleistungen erfordert aber auch neue und innovative organisatorische Gestaltungsoptionen. Serviceorganisationen mit interfunktionaler Flexibilität sind die strukturelle Umsetzung einer kreativen Servicestrategie. So ermöglichen Callcenter sowohl eine individuelle Erfüllung der Kundenanforderungen, als auch automatisierte und kostengünstige Lösungen, die rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Im Rahmen der Konzentration auf Kernkompetenzen stellt sich auch im Servicebereich die Frage nach einem In- oder Outsourcing von Serviceleistungen. Servicenetzwerke spielen dabei eine nicht weniger wichtige Rolle, insbesondere wenn die Unternehmen Serviceleistungen anbieten wollen, ihnen aber die notwendige Kernkompetenz fehlt. Serviceleistungen werden in Kooperationen und Partnerschaften ‘eingekauft‘. Die Serviceorganisation von IBM Deutschland wurde mit dem Ziel, von einem Prozess- auf ein Projektmanagement umzustellen, neu strukturiert. Peter Eisenbach, Direktor Product Support Services IBM: ‘Ein Kunde hat nicht nur IBM-Systeme, sondern auch Systeme von anderen Herstellern. Und er war unzufrieden damit, dass er immer wieder mit unterschiedlichen Stellen verhandeln musste, dass er unterschiedliche Service Levels zu beachten hatte. Er wollte alles aus einer Hand. Für uns war das eine große Herausforderung. Denn wenn wir den gleichen Commitment Level für alle vorhandenen Systeme garantieren wollen, mussten wir unsere bisherige Strategie ändern.‘ Der Global Service der IBM beinhaltet heute den Professional Service (Systemintegration und Outsourcing), den Product Support Service (früher Technischer Außendienst) und den e-business-Service (Internet). Die organisatorischen Veränderungen im Servicebereich stellen aber auch neue Anforderungen an die Servicemitarbeiter. Diese haben sowohl den Technischen Anforderungen Genüge zu leisten, als auch als Verkäufer und Berater sowie als Repräsentanten mit gewinnender Persönlichkeit aufzutreten. Fachwissen, technische Kompetenz, Produkt- und Anlagenkenntnisse sind ebenso Voraussetzungen wie Kommunikationssicherheit, Rhetorik, Argumentationsgeschick und Einfühlungsvermögen. Die Persönlichkeit der Servicemitarbeiter zeichnet sich vor allem durch Zuverlässigkeit, Korrektheit, Selbstbewußtsein, Offenheit und Konsequenz aus. Damit gehen die Anforderungen an die Servicemitarbeiter weit über die fachliche Kompetenz hinaus und erfordern eine bereichsübergreifende Qualifikation. Damit erhalten entsprechende Qualifizierungs- und Qualifikationsprogramme für serviceorientierte Unternehmen große Bedeutung. Erst serviceorientierte Mitarbeiter sichern den Unternehmenserfolg im Servicebereich.
Den Servicebereich gilt es durch geeignete Methodenbausteine zu unterstützen. Dabei steht vor allem die Umsetzung der Servicestrategie in dem gesamten Geschäftsprozess eines Unternehmens im Vordergrund. So sind beispielsweise die Service-Innovation und das Service-Engineering zu Beginn des Lebenszyklus zu nennen, die durch Marktforschungen und Kundenbefragungen systematisch aufbereitbar sind. Die Kundenanforderungen bestimmen die innovativen Serviceleistungen und sind in ein Service-Engineering umzusetzen. Aufgrund der Kundenwünsche lassen sich zielgerichtete Service-Optionen bestimmen und eine selektive Auswahl der zu forcierenden Markt-Service-Beziehungen treffen. Ähnlich der Produktion materieller Güter unterstützt ein Total Quality Service den gesamten Lebenszyklus einer Serviceleistung. Methoden wie die Critical Incident Technique oder die Gap-Analyse schaffen hierfür die Basis für eine qualitative und quantitative Erfassung von Servicequalität. Einen weiteren Methodenbaustein stellt das Service-Controlling dar. Da die Serviceleistung oftmals erst beim Kunden und mit dem Kunden entwickelt wird, ist es relativ schwierig, Serviceleistungen mit einem standardisierten Konzept des Service-Controlling zu bewerten und zu steuern. Es kann allerdings durch Methoden einer Kundenzufriedenheitsmessung sowie einer Darstellung der Komplexitätskosten von Serviceleistungen unterstützt werden. Das Service-Controlling hat somit potential-, prozess- und ergebnisorientierte Perspektiven zu berücksichtigen und ist in ein umfassendes Konzept zu integrieren. Das Benchmarking und das damit verbundene Lernen von anderen stellt ein weiteres Tool dar, um der Konkurrenz einen Schritt voraus zu sein und sich Wettbewerbsvorteile zu sichern. So lassen sich beispielsweise Kennzahlen wie Umsatz pro Servicemitarbeiter oder die maximale Durchlaufzeit komplexer Aufträge vergleichen, ebenso wie die interne Organisation des Servicebereichs, die Schnittstellen zum Neugeschäft und der Beginn der Serviceaktivitäten, die z. B. nach Ablauf der Garantiezeit oder mit Montage beim Kunden in Kraft treten. Wie die Qualität des Service gemessen werden kann, zeigt das Controlling Konzept der Zeppelin Baumaschinen GmbH. Jeder Kunde wird bei Neukauf einer CAT-Maschine über die Qualität des Produktes und die Qualität der Zeppelinleistungen befragt. Alle zwei Jahre wird die Zufriedenheit mit dem Zeppelin Service bei 3000 Kunden ermittelt. Die Befragung allein reicht aber nicht aus. Es müssen Handlungsoptionen zur Qualitätsverbesserung erarbeitet und umgesetzt werden. Aufbauend auf den Ergebnissen der Kundenbefragung wurde deshalb 1997 die Zeppelin-Struktur der Niederlassungen in Vertriebs- und Servicezentren entwickelt. Zusätzlich wurde die Ersatzteillagerung zentralisiert, wodurch das Versprechen, 98% der Ersatzteile in 24 h zu liefern, eingehalten werden und die Lagerkosten gesenkt werden konnten.