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Wertsteigerung im Unternehmen durch E-Technologien?

[01.03.2001]

Foto: WavebreakmediaMicro / fotolia.com
Die Fabel von dem schwerfälligen Elefanten, der im Kampf mit den aggressiven Hornissen hoffnungslos unterlegen ist, wird von den Proponenten der New Economy gern erzählt. Die Pointe dabei ist, dass ein dot.com allein gegen die alten Elefanten-Firmen nichts ausrichten kann. Im virtuellen Verband mit anderen Internet-Hornissen aber wird der Größenunterschied egalisiert. Schon ist der Old Economy-Elefant erledigt.

Mir gefällt die Fabel aus einem anderen Grund: Hornissen leben nur ein Jahr. Elefanten dagegen werden steinalt. Und so sind bereits ein paar Dutzend Start-ups eingegangen. Es ist aber noch kein Unternehmen aus der Old Economy von den Hornissen in die Pleite getrieben worden. Im Gegenteil: Wurden die rasant wachsenden Internet-Start-ups bisher nur kritisch beobachtet, so schlägt das Establishment nun zurück. Aber auch andere Gründe spielen beim jetzigen Aufbruch der Konzerne in die virtuelle Geschäftswelt eine Rolle. Die Technik- und Infrastrukturen sind stabiler geworden, die Internet-Verbreitung hat zugenommen, und die Potentiale werden immer verlockender. So gab die Firma Siemens in den letzten Wochen bekannt, dass sie in den nächsten 18 Monaten 2 Milliarden DM in das E-Business stecken will. DaimlerChrysler gibt seiner Holding für das E-Business 1,1 Milliarden DM Grundkapital mit auf den Weg.

Die Euphorie um die New Economy mag einer Ernüchterung weichen. Die Lektionen für das etablierte Management werden deshalb nicht unwichtiger. Die E-Technologien liefern das bei weitem wichtigste neue Instrumentarium der vergangenen 50 Jahre für das Management. Die Integration des Internet wird die Unternehmensführung in den nächsten Jahren prägen. Das Management der etablierten Firmen hat die Bedrohung und die Chancen erkannt. Wir können heute davon ausgehen, dass in der sogenannten Old Economy die Technik der Internet-Hornissen durchschaut wird. In weiten Bereichen wird E-Technologie bereits adaptiert. Und es spricht einiges dafür, dass im güterproduzierenden Gewerbe erst aus der Kombination von alt und neu eine New Economy entsteht, die der anspruchsvollen Bezeichnung auch gerecht wird. Vielversprechend sind die Vorteile, die sich dem Management auf der strategischen und operationalen Ebene öffnen. Das neue Medium ist für die interne Organisation der Unternehmen, für die Kommunikation mit den Märkten und für die Optimierung der Kooperation mit dritten Unternehmen ein außerordentlich nützliches Instrument. Für die strategische Ausrichtung und die Umsetzung unternehmerischer Partnerschaften eröffnet es neue Horizonte.

Die New Economy ist ein Strategie-Thema. Es betrifft den Kern des unternehmerischen Denkens und Handelns. Fragen wir im einzelnen nach den Bereichen, in denen durch E-Technologien der stärkste Veränderungsdruck entsteht, würde ich ohne Zögern die Unternehmensführung und die internen Kommunikationsstrukturen an die erste Stelle setzen. Die Umsetzung der E-Technologien im Unternehmen ist Aufgabe Nummer eins für das Management. Fast gleichwertig sind die Kooperationen über die Unternehmensgrenzen hinweg. Stichwort: Virtuelle Projekte über Ländergrenzen hinweg, Online-Marktplätze, und damit verbunden das industrielle Beschaffungs­wesen. Die Ziele der E-Business-Strategien sind überall gleich: Sie lauten, schneller, besser, kostengünstiger.

Wesentlich beschaulicher geht es auf den anderen Tummelplätzen der New Economy zu. Im Bereich Customer Relationship, Public Relations und Marketingkommunikation wird sich die E-Technologie allmählich und auch nur als Ergänzung zu den Offline-Aktivitäten durchsetzen. Der Grund dafür ist, dass die Konsumenten noch auf Jahre hinaus in der alten Welt leben werden und sich nur allmählich in das virtuelle Dasein eingewöhnen. Der Beharrungswille der Menschen macht den bisher so bedrohlich dargestellten Angriff des E-Commerce auf die alten Strukturen zu einem Flop. Der Konsument wird mit Ausnahme der digital direkt übertragbaren Produkte - Software, Musik, Video - seine Einkaufsgewohnheiten, wenn überhaupt, nur sehr langsam umstellen. Dennoch gibt es herausragende Beispiele mit hohem Potential: Ein Unternehmen Reflect.com von Procter & Gamble stellt individuelles Shampoo und Parfüm her. Dies kann der Kunde am Computer konfigurieren. Die Produkte, die es sonst im Supermarkt zu kaufen gibt, werden so personalisiert, dass dieses Produkt den Namen des Kunden trägt. Der Verkauf dieses Shampoos erfolgt in einem monatlichen Abo. Die Erzeugung der ersten Rezeptur kostet das Unternehmen etwa 50 US$. Nur 20% der Kundinnen kaufen nach der Erstellung auch das Parfüm und das Shampoo. Das Unternehmen verschenkt nun dieses 50 US$ teure Erstprodukt an die Kundin und hat festgestellt, dass die Nachkaufquote dann bei über 50% liegt. Der Vertriebskostenvorteil gegenüber dem Vertriebsweg Handel wird mit einer Größenordnung von 1 : 3 beziffert.

Das Management in der New Economy
Der Wechsel von der ‘Old‘ zur ‘New Economy‘ hat vor allen Dingen Folgen für das Management. Die Kenntnis und das Verständnis für die Internet-Welt werden zu einer der überragend wichtigen Kompetenzen des Managements. Die Veränderung der Geschäftsgrundlage durch das Internet ist so fundamental, dass bei der Umsetzung der E-Technologie oft eine Neugründung der leichtere Weg ist. Bei den Banken oder im Versandhandel wird dieser Weg bereits beschritten. Die Bereitschaft zur Veränderung vorausgesetzt, haben die alten Industrien heute noch viele Trümpfe in der Hand. Erst aus der Kombination von Know-how und Marktmacht aus der Old Economy mit den Raffinessen der elektronischen Systeme werden die wettbewerbsfähigen Lösungen der Zukunft geschaffen. Zukünftige Wettbewerbsvorteile entstehen aus der Vermählung des alten Wissens mit den neuen Möglichkeiten. Für das Management steigen die Anforderungen, es muss in vielen Bereichen umdenken. Die zentralen Bereiche der Veränderung für das Management.

Informationsverarbeitung:
Es geht um Generierung, Verdichtung und Verteilung von bisher ungeordneten Informationen. Mit Hilfe der Online-Medien werden interne Prozesse beschleunigt und optimiert. So benötigen Banken für eine Auslandsüberweisung bis zu 20 c. Die Berechnung eines internationalen Telefon­gespräches bei Vodafone kostet dagegen 0,02 c, also um den Faktor 1000 weniger.

Menschenführung:
Mitarbeiter werden Partner, sie brauchen unternehmerische Freiheit. Sie werden durch Stock Options am Unternehmen beteiligt. Sie werden in Spin-offs zu verantwortlichen Unternehmern. Nur wenn Wertsteigerung des Unternehmens auch Wertsteigerung für die Beteiligten - sei es finanziell oder ideell - bedeutet, wird sich im Unternehmen etwas verändern.

Kooperationsstrategien:
In Allianzen mit Spezialisten, mit Unternehmenspartnern und Spin-offs aus dem eigenen Unternehmen den Markt teilen, optimal versorgen und neue Chancen zur Wertsteigerung ausnutzen.

Informationsverarbeitung, Mitarbeiterführung nach den neuen Regeln und Kooperationsstrategien werden die wichtigsten Spielfelder des Managements bei der Wertsteigerung durch E-Technologie sein. Die Verarbeitung von Informationen und deren Aufbereitung für die eigenen Zwecke wird zu einem Wertschöpfungsinstrument schlechthin. Das werden jedoch nicht die einzigen Folgen von E-Business sein. Die Produktzyklen und Geschäftsprozesse werden sich noch einmal beschleunigen. Und weil dies so ist, dürfte auch die Einschaltung firmenexterner Kräfte und der Zukauf von Know-how zunehmen. Auch die Preisbildung wird sich ändern. Schon heute gehen Firmen zunehmend zur Versteigerung von Produkten im Internet über und beim Einkauf zu umgekehrten Auktionen, bei denen die Zulieferer immer billigere Angebote abgeben. Gleichzeitig verschärft das Internet den Wettbewerb - die Preise werden transparenter, die Konkurrenz globaler, und oft steigen auch branchenfremde Unternehmen in den Markt ein. Damit schmelzen die schönen Einsparungen wieder dahin. Doch bleibt den Unternehmen gar nichts anderes übrig, als sich auf den E-Business-Zug zu schwingen. Denn er rollt bereits, und auch die momentanen Schwächen und Pannen werden ihn nicht stoppen. Im Gegenteil, mit dem Engagement der Großunternehmen gewinnt die Entwicklung an Fahrt, wächst auch der Druck auf die mittelständischen Zulieferer, mitzumachen.

Was bedeutet Online für die Kernkompetenzen des Managements?
Es wäre ein Irrtum zu erwarten, dass in der Online-Wirtschaft minderwertige Qualität Akzeptanz findet, nur weil sich das Management in der Hauptsache um ganz andere Fragen kümmern wird. Natürlich müssen die Autos von höchster Qualität sein und die Produktfeatures voll dem technischen Stand entsprechen. Das wird als selbstverständlich unterstellt. Das Management muss zusätzlich in den Kategorien der Online-Kultur zu Hause sein. Welche sind dabei die wichtigsten? An die Stelle von Killerinstinkt und Hyperwettbewerb tritt die Strategie in Kooperationen, in Netzwerken, in Beteiligungen und in Allianzen. AOL konnte den Wettlauf um die führende Position als Internet-Medium nicht allein gewinnen. Für den Content, also für die Verwertung und Produktion von Inhalten für ein Massenpublikum, war die Partnerschaft mit einem Lieferanten von Inhalten unabdingbar. Es kam zur Elefantenhochzeit mit dem Medienkonzern Time/Warner. Von der Unternehmenskultur her zwei völlig gegensätzliche Unternehmen, von der Strategie ein genau richtiger Schritt. Das Beispiel zeigt, dass in der Online-Welt die Anforderungen so hoch sind, dass eine erfolgreiche Realisation der eigenen Ziele fast nie ohne Partner möglich ist. AOL ist mit mehr als zwanzig Millionen Kunden weltweit ein außerordentlich erfolgreicher Internet Service Provider. Bei der Auffüllung seiner Dienstleistung mit medialen Inhalten aber ist das Unternehmen in der Zukunft überfordert. Der Kunde erwartet im Internet eine Qualität und eine Vielfalt, die in keiner Beziehung dem bisher gewohnten Standard hinterherhinken darf. Diese Qualität in großer Auswahl ist einfach zu teuer, um sie auf eigene Faust neu zu machen.

Beteiligungen ersetzen F&E
Praktisch alle großen Online-Konzerne, aber auch Traditionsunternehmen wie Siemens oder Beratungsgesellschaften wie Bain Company, sichern ihre Internetkompetenz durch den gezielten Einsatz von Venture Capital ab. Sie beteiligen sich systematisch an ‘heißen‘ Firmen. Sie gewinnen damit Zugriff auf vielversprechende Technologien. Sie binden Entwicklungstreiber an sich. Sie halten den Anschluss an die vorderste Front. Die systematische Erkundung und Auswahl der richtigen Investitionsprojekte außerhalb des Unternehmens wird zu einer Kernkompetenz des Managements. Der Aspekt, dass durch einen späteren Börsengang auch noch stattliche Gewinne realisierbar werden, muss dabei nicht im Vordergrund stehen. Die Börse wird für Dot.coms auch nicht immer so hohe Prämien zahlen wie in den vergangenen Monaten. Zahllose Beispiele belegen die Wichtigkeit, bahnbrechende Technologien rechtzeitig dazuzukaufen. Microsoft ist ein Meister in diesem Metier. Ein aktuelles Beispiel kommt von AT&T. Der US-Kommunikationskonzern sicherte sich jetzt eine maßgebliche Beteiligung an Net2Phone. Das Unternehmen hatte die Technik der Internet- Übertragung von Telefongesprächen marktreif gemacht. Der nächste Schritt wird sein, dass Videoübertragungen im Internet in ruckelfreier Qualität laufen. Die Erfinder dieser Technologie, streaming video, sind heute gesuchte Partner der etablierten TV-Konzerne.

Das Softwareunternehmen Siebel nimmt kein Entwicklungsprojekt mehr in Angriff, das voraussichtlich länger als 6 Monate dauert. Jenseits dieses Limits wird die Technologie zugekauft. Gerade die Kompetenz für das Arbeiten in Netzwerken wird unverzichtbar. Konnte ein Unternehmen früher die F&E getrost einer spezialisierten und meist nicht gerade brandheißen Abteilung überlassen, so wird online das ‘Informiert sein‘ zu einer zentralen Aufgabe des Managements. In einer Welt, in der Produkte keine Ausschließlichkeit mehr besitzen, kommen Menge, Preis und Kosten eine nie dagewesene Bedeutung zu. Je werthaltiger ein Produkt bei für die Masse erschwinglichen Preisen ist, desto größer wird der Markt. Daher rücken die Kosten in den Mittelpunkt jeder Kalkulation. Der Amazon.com-Gründer Jeff Bezos hat das Motto ‘GBF‘ - ‘Get Big Fast‘ - geprägt.

Kosten rücken in den Mittelpunkt
Die Schöpfer wertvoller Ideen sollten daher nicht alles daran setzen, den kurzfristigen Profit zu maximieren. Hohe Preise und Warenverknappung, die traditionelle Strategie, provozieren geradezu Trittbrettfahrerei und Billigpreisanbieter. Der technologische Vorsprung, der die kostengünstige Weiterverwendung einer neuen Idee für lange Zeit ermöglicht, wird damit verspielt. Heute muss mit neuen Ideen radikal anders umgegangen werden, als es Monopolisten in der Vergangenheit getan haben. Dazu gehört es, durch strategisch gestaltete Preise eine Nachfrage zu schaffen und durch Kostenkontrolle Gewinn zu erzeugen. Strategisch kluge Preise können zu einem hohen Verkaufsvolumen und der raschen Entwicklung kraft- und wertvoller Marken führen. Kostenkontrolle kann zur Erreichung attraktiver Gewinnmargen beitragen und zu einer Kostenstruktur, die es Nachahmern schwer macht, in den Markt zu drängen. Die Kombination beider Techniken führt zu hohen Gewinnen und raschem Wachstum.

Wechselnde Kernkompetenz. Unternehmen müssen sich häuten können.
Häufig wird eine Online-Strategie dazu führen, dass ein Unternehmen sich selbst neu erfindet. So könnte ein Autohersteller zu der Schlussfolgerung kommen, dass er seine Produktionskapazitäten verkauft und ganz zu einer kundenorientierten Organisation wird. Seine Aufgaben lägen dann in der Information, Beratung und Finanzierung der Kunden in allen Belangen rund um Transport und Reisen. Der Aufbau eigener Banken war der erste große Schritt der deutschen Autohersteller in diese Richtung. In der Regel werden Manager auf den Zwang zur neuen Kompetenz mit einer Neugründung neben dem bestehenden Unternehmen reagieren. Dieser Trend setzt sich auf breiter Front durch. Weil es zu aufwendig und im bestehenden System zu langsam wäre, eine Online-Organisation aufzubauen, wird eine neue Firma gegründet. Die Spin-offs sind ein Instrument, das zur Grundausstattung jedes Managements in der New Economy gehören wird. Diese Taktik hat sich insbesondere im Bankgewerbe und im Versandhandel durchgesetzt. Mit der Bank 24 (Deutsche Bank) oder der Comdirect (Commerzbank) entstanden Online-Banken, die eine Vielzahl ganz normaler Bankdienstleistungen direkt anbieten.

Wissen generieren, Wissen auswerten
In der internen Kommunikation spielt die Online-Technik in der Schaffung und Konzentration von Wissen und in der Verteilung von Wissen eine zentrale Rolle. Durch das Sammeln von Daten in Dataware-Zentren und den Abgleich der Bestände entstehen neue Informationen über alle Bereiche des Unternehmens. Die strategische Organisation der internen Kommunikation sichert die Erhebung der Daten, die Auswertung und die Rückspielung der gewonnenen Ergebnisse an die einzelnen Arbeitsplätze. Durch Online-Systeme kann das Wissen von Mitarbeitern erfaßt und systematisch nutzbar gemacht werden. Intelligente Software bringt das gespeicherte Wissen des Unternehmens auf den Bildschirm jedes einzelnen Mitarbeiters. So kann das Softwaresystem Autonomy alle relevanten im Unternehmen vorhandenen Wissensbestände automatisch auf den Computer eines Mitarbeiters schicken, wenn dieser sich mit der Lösung eines Problems zu diesem Thema befaßt. Die Ankündigungen von Unternehmen wie Siemens, BMW, DaimlerChrysler oder von Handelskonzernen wie Metro oder Otto-Versand, sind bereits Beispiele hierfür.

IPOs als Instrument der Strategie
Ein ausgeprägtes Verständnis für die finanziellen Mechanismen der Online-Welt ist Basis für die Nutzung der Börse als Finanzier der eigenen Pläne. Die ausgesprochen hohe Wertschätzung von reinen Technikunternehmen führt dazu, dass der Weg einer Verselbständigung von Firmenteilen hochprofitabel sein kann. Der Börsengang ist bei Technologieunternehmen zur wichtigsten Geldquelle für die Finanzierung von Übernahmen im Bereich der Technologieträgerfirmen geworden. Durch den Gang von Teilen des Unternehmens an die Börse wird darüber hinaus strategischer Spielraum für den Aufbau neuer Partnerschaften gewonnen. Über den Aktientausch werden Kooperationen besiegelt. Beispiele sind die Börsengänge von Epcos und Infineon (beide sind Spin-offs von Siemens), Freenet von Mobilcom, Bol von Bertelsmann oder T-Online von der Telekom. Durch Ausgliederung und Going public fließen den Unternehmen Milliardenbeträge zu, die dann als Währung für die Übernahme anderer Firmen oder für strategische Allianzen eingesetzt werden. Trotzdem muss das Unternehmen nicht auf die Eigentümer-Position verzichten. Für das Management ist der ganze Bereich der Ausgründungen und Finanzierungen nicht mehr nur ein Instrument der Bereinigung des Kernunternehmens oder der Beschaffung finanzieller Ressourcen. Fähigkeiten auf diesem Gebiet werden unabdingbar. Der Einsatz von Börsengängen und/oder Ausgründungen wird zu einem strategischen Element der Unternehmensführung.

Strategie der Virtuellen Märkte
Im Handel der Unternehmen untereinander sowohl bei Rohstoffen wie bei Roh- und Fertigwaren hat sich die Strategie der Einkaufsplattform durchgesetzt. Mehrere oder ein Nachfrager einer Branche treffen auf den virtuellen Märkten auf mehrere Anbieter oder einen Anbieter der entsprechenden Produkte. Im Wege der Auktion werden Geschäfte abgeschlossen. Die Beteiligung an einem der virtuellen Märkte ist eine strategische Entscheidung. Der Investitionsbedarf ist erheblich. Die Ausrichtung des Unternehmens wird womöglich langfristig festgelegt. Zunächst stellt sich die Frage nach einer proprietären Plattform, auf der nur die Produkte gehandelt werden, die das eigene Unternehmen einkaufen will. Das Gegenstück ist eine gemeinsame Plattform mehrerer Unternehmen. Letztere wird in der Autoindustrie mit der Plattform von GM, Ford und DaimlerChrysler erprobt. Nichtproprietäre Plattformen entstehen, wenn Dritte - entweder branchenfremde Unternehmer oder Branchenorganisationen - einen Markt für bestimmte Güter oder Dienstleistungen organisieren und für alle Interessenten offenhalten. Die Entwicklung ist unübersichtlich. Bisher steht auch noch eine Entscheidung der Kartellbehörden aus.

Dürfen marktbeherrschende Unternehmen in geschlossenen Einkaufszirkeln am Markt auftreten?
Diese Thematik ist insgesamt noch nicht abschließend geklärt. Es gibt eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten bei der Einrichtung von BtoB-Plattformen. Es zeichnet sich ab, dass individuelle Lösungen, mit deren Hilfe große Unternehmen ihren Einkauf von Bürobedarf oder Werkzeugen oder Rohwaren organisieren, ein sicherer Weg sind.

Die Marketing-Dimension Online ist unerforschtes Territorium
Der zweite Teil der neuen strategischen Anforderungen resultiert aus der Veränderung des Marktgeschehens. Im Online-Geschäft rückt das Angebot aller Wettbewerber auf engstem Raum zusammen. Die Barrieren aus der alten Welt werden aufgehoben. Die einzelnen Angebote werden einfach direkt vergleichbar. Allerdings ist die Einschränkung zu machen, dass erhebliche Länder-/Kulturbarrieren auch weiterhin bestehen werden. Schon allein der Versuch der Übernahme einer Handelsplattform für ein Massengut wie Stahl zeigt, dass in Europa eine ganz andere Ausführung verlangt wird als in den U.S.A. Die Lösung wird in Hyper-Plattformen zu suchen sein, die auf höherer Ebene einen Austausch zwischen den Ländern möglich machen. Auch die Unterschiede, die sich aus den unterschiedlichen Spezifikationen der Hersteller ergeben, verschwinden nicht. So wird es kaum möglich sein, das Düngemittel eines indischen Herstellers mit einem Produkt von BASF zu vergleichen. Im Internet kann zwar alles nebeneinander gestellt werden, doch dadurch wird es nicht automatisch auch vergleichbar. Hier laufen die Wünsche den Realitäten weit voraus. Die beliebten Zugangsseiten der Internetportale bieten immer nur einzelne Angebote, nie größere Übersichten. Es ist trotz aller Theorien etwa für den Konsumenten bisher nicht möglich, online zu erfahren, welcher Kühlschrank zum gegebenen Preis das beste Angebot ist. Hier sind die alten Medien deutlich überlegen.

Was sind die nächsten Schritte?
Die Frage nach dem Zugang des Konsumenten zum Internet wird in der nächsten Phase des neuen Mediums wohl im Mittelpunkt stehen. Denn natürlich wird im Lauf der Zeit der Online-Verkauf an Endverbraucher an Bedeutung gewinnen. Aus der Sicht des Unternehmers wird entscheidend sein, wo er mit den meisten Kunden Kontakt aufnehmen kann. Das hängt wiederum davon ab, auf welchem Weg der Kunde online gehen wird. Geht er über T-Online, über Lycos, über Amazon oder über AOL zum Einkauf ins Internet? Geht er über eine Adresse wie Auto.de, loggt er sich gleich bei Mercedes ein oder bedient er sich der Hilfe einer Einkaufsplattform? Diese Fragen sind bisher nicht beantwortet. Genausowenig sind die Angebote definiert, die es tatsächlich geben wird. Es gibt bisher nur Ansätze. Schwer vorstellbar ist allerdings, dass alle Markenartikler mit einer eigenen Verkaufsplattform im Internet Erfolg haben werden. Welcher Konsument soll da noch mitspielen, wenn er im Supermarkt nebenan 3000 Artikel en passant auswählen kann?

Wer partizipiert an der Wertsteigerung durch E-Technologien?
Verteilt man die Wertanteile vom Preis = 100% auf Produzenten, Zulieferprozente und Händler, so ist ein Verhältnis von 30 : 30 : 40 eine belegbare Abschätzung, wobei der Anteil des Handels in den letzten Jahren gewachsen ist. Durch den Einsatz von E-Technologien wird der Wertanteil des Handels und der Zulieferindustrie geschmälert. Vertriebskostenreduzierungen um 30 bis 40% sowie Einstandspreisreduzierungen um 10 bis 15% sind die Regel. Nimmt man den Produzentenanteil (Zulieferindustrie und Produzent) = Produzentenrente und vergleicht diesen mit der Konsumentenrente, so läßt sich tendenziell feststellen, dass die Produzentenrente sinkt und die Konsumentenrente durch eine Verbesserung des Preis-Leistungs-Verhältnisses steigt. Die gängige Literatur zum Shareholder Value befaßt sich vor allem damit, wie der frei verfügbaren Cash Flow zu berechnen oder wie die Kapitalkosten zu bestimmen seien. Im Rahmen des Shareholder Value-Konzeptes gibt es fünf sogenannte Wertgeneratoren, mit denen bezüglich Wertsteigerung Hebelwirkung erzielt werden kann:

1. Umsatzwachstum,
2. Gewinnmarge,
3. Investitionen als Anlage- und Nettoumlaufvermögen,
4. Kapitalkosten und
5. Ertragssteuern.

Es läßt sich nun zeigen, dass die Eigenschaften der E-Technologien, wie der Abbau von Informationsasymmetrien, die Erzeugung von Transparenz in der Wertschöpfung, die Möglichkeit, Verschwendung und Blindleistung aus den Prozessen zu eliminieren, und die Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung, aber auch der Realflußprozesse zu erhöhen sowie die Fähigkeiten und das Wissen der Mitarbeiter besser zu managen, sehr wohl zu einer Erhöhung der Eigen­kapitalrendite führen.

Dennoch werden einige Dilemmas offensichtlich:

Markttransparenz-Dilemma
Objektiv gesehen, erfolgt über E-Technologien eine vollständigere Information im Markt. Subjektiv gesehen, führt dies auch zu einer Informationsüberflutung. Es läßt sich auch feststellen, dass die vollständigere Information die Konsumentenrente erhöht und die Produzentenrente verringert.

Kostenstruktur-Dilemma
Die Herstellung E-Technologie-basierter Produkte führt zu hohen Entwicklungskosten und zu niedrigen Produktionskosten (first copy cost). In der Konsequenz bedeutet dies hohe Fixkosten, geringe variable Kosten und Grenzkosten nahe Null. Wenn also ein Unternehmen die Produkte nicht verkauft, bleibt es auf den Fixkosten sitzen (= sunk cost) und hat einen vollständigen Abschreibungsbedarf.

Systemgüter-Dilemma (Netzeffekt)
E-Technologie-basierte Produkte können vom Konsumenten erst dann genutzt werden, wenn auch andere dieses Produkt nutzen, z.B. UMTS. E-Technologie-basierte Produkte sind darüber hinaus auch häufig Komplementärprodukte im Systemverbund. Dies bedeutet, dass der Nutzen für den Konsumenten bei der Markteinführung gering ist. Nun hängt die Kauf- und Zahlungsbereitschaft der Konsumenten stark von subjektiven Erwartungen über das Verhalten anderer Nutzer ab. Daraus resultiert ein ‘Pinguin-Effekt‘, wie man ihn in bestimmten Jugendgruppen beobachten kann. Für die Unternehmen erwächst daraus eine neue Disziplin im Marketing, nämlich das Erwartungs­management. Daraus folgt, dass der Gewinner, der solche kompatiblen Technologien anbietet, den gesamten Markt dominiert. Derjenige, dessen Technologie nicht kompatibel ist, muss ausscheiden.

Diese Dilemmas haben zur Folge, dass eine klassische Kernkompetenzbetrachtung lediglich eine notwendige Bedingung für den Wettbewerbserfolg darstellt. Die Fähigkeit zur Erzeugung kritischer Massen durch Erwartungsmanagement oder die sogenannte Systemgüterkompetenz führt erst zur hinreichenden Bedingung für den Wettbewerbserfolg. Um dies zu erreichen, bieten sich für die Unternehmen drei Strategien an:

1. Die Schaffung von Komplementärgütern zu einer E-Technologie durch Kontrolle aller Wert­schöpfungs­ebenen,
2. Kooperation mit Wettbewerbern und
3. Standardisierung der Technologien, um Industriestandards durchzusetzen.

Literatur:

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